Muslimische Lehrerinnen

„Kopftuchverbote werden meinen Alltag bestimmen“

Vor fünf Jahren hat das Bundesverfassungsgericht das Kopftuchverbot für Lehrerinnen gekippt. Daraufhin haben mehrere Bundesländer ihre Gesetze geändert. Wir haben mit muslimischen Lehrerinnen über ihre Erfahrungen im Lehrerzimmer gesprochen.

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03
2020
Lehrerin mit Kopftuch © Perspektif, bearbeitet by iQ.
Musliminnen © Perspektif, bearbeitet by iQ.

Vor fünf Jahren entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Als Reaktion auf den Beschluss haben die Landesregierungen ihre Gesetze angepasst. Betroffen davon waren acht Bundesländer, die zuvor ein Gesetz zum Kopftuchverbot verabschiedet hatten: Baden-Württemberg, Niedersachsen, Saarland, Hessen, Bayern, Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen.

Alle Bundesländer bis auf Berlin lassen das Kopftuch für Lehrerinnen seither grundsätzlich zu. Für Richterinnen und Staatsanwältinnen gelten jedoch weiterhin Verbote.

Das Kopftuchverbot für Berliner Lehrerinnen kommt am 23. April vor das Bundesarbeitsgericht. Es verhandelt über eine Revisionsklage des Landes Berlin gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, wie das Bundesarbeitsgericht bekannt gab.

„Es war nie eine Option, das Kopftuch für meinen Beruf abzulegen“

Was sagen die betroffenen muslimischen Lehrerinnen und Lehramtsstudentinnen zu der aktuellen Debatte rund um das Kopftuch? Wir haben unsere Leserinnen gefragt, ob und wie sie von dem Verbot betroffenen sind und wie sie sich fühlen.

Gül ist Lehramtsstudentin im 4. Semester. Sie wird oft mit der Frage konfrontiert, wie sie sich vorstelle, mit dem Kopftuch eine Stelle zu bekommen, da es im Ermessen der Schulleitung liegt, ob eine Lehrerin mit Kopftuch eingestellt wird oder nicht. „Als Lehramtsanwärterin hat mich diese Tatsache nie davon abgehalten, diesen Weg zu beschreiten. Es war nie eine Option, das Kopftuch für meinen Beruf abzulegen.“ Sie hoffen weiterhin, ihren Beruf ausführen zu können.

Kopftuchverbot: „Ich habe so lange dafür gekämpft“

Meryem ist Lehrerin in einer Gesamtschule in NRW. Die 36-jährige hat die Erfahrung gemacht, dass sich die Schüler eigentlich gar nicht für das Kopftuch interessieren. „Ihnen ist es viel wichtiger, wie man als Lehrkraft oder als Person ist“. Im Gegensatz dazu interessierten sich Eltern und Kollegen viel mehr für mein Kopftuch. Viele zeigten Unverständnis und haben gesagt, dass es ein Rückschritt für sie sei. „Mir wird das Gefühl gegeben, dass ich nicht gut genug bin oder nicht auf Augenhöhe mit ihnen kommunizieren kann“, so Meryem weiter. Es werde zwar nicht immer offen diskriminiert, doch spüre sie es an den Blicken und den unangemessenen Witzen, die geäußert werden, betont die 36-jährige Lehrerin.

Das Kopftuch ändere nichts an ihrer Lehrerpersönlichkeit. „Warum sollte ich meinen Beruf aufgeben? Ich habe so lange dafür gekämpft und gearbeitet.“ Wenn ein Verbot erteilt werden sollte, werde sie schauen, wie sie rechtlich dagegen vorgehen kann.

„Kopftuchverbote werden meinen Alltag bestimmen“

„Ich denke, ich werde im Lehrerzimmer aufgrund des Kopftuchs Diskriminierungen erfahren, da viele Lehrerinnen es nicht gutheißen werden und ihre Vorurteile äußern werden“, erklärt die 29-jährige Lehrerin und Mutter Betül. Aktuell befindet sie sich in Elternzeit und hat sich in dieser Zeit für das Tragen des Kopftuchs entschieden. Sie ist der Meinung, dass sie am Anfang „schiefe Blicke ertragen muss, sich wieder beweisen muss und ihnen zeige, dass das Kopftuch nichts Schlimmes sei.“ Die zukünftigen Entscheidungen über das Kopftuch werden fortan ihren Alltag bestimmen, da sich viele Fragen werden, „ob ich mein Beruf weiterausleben kann, oder überhaupt noch in der Schule bleiben darf“, erklärt Betül abschließend.

„Mittlerweile fühle ich mich nicht mehr anders“

Die Berlinerin Aynur Coşkun arbeitet seit 2003 als Grundschullehrerin. Auf die Frage, wie das trotz Kopftuchverbot funktioniert, erklärt sie, dass sie eine Ausnahme sei, da sie Lehrerin für den islamischen Religionsunterricht ist und dieser Sache der islamischen Religionsgemeinschaften ist. Nichtsdestotrotz kann sie sich an die misstrauischen Blicke am ersten Tag erinnern. „Während des Islamunterrichts haben wir immer die Türen offengelassen und alle anderen Kollegen willkommen geheißen.“ Mittlerweile haben sich Freundschaften entwickelt, weshalb sie sich nicht mehr anders fühlt oder auf das Kopftuch reduziert wird.

 

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
"Und daran habt ihr euch zu halten." Auf keinen Fall! Im Zweifel leisten wir erbitterten Widerstand. Und zwar so lange, bis wir uns am Ende durchgesetzt haben. Egal zu welchem Preis.
28.03.20
15:10
Johannes Disch sagt:
@Dilaver Celik (28.03.2020, 15:10) Wie soll dieser Widerstand denn aussehen?? Werden Sie doch endlich mal konkret.
29.03.20
16:53
Dilaver Çelik sagt:
@Johannes Disch Wir haben damals beim Beschneidungsverbot gesehen, wer wem auf die Finger geklopft hat, so dass das Verbot abgeschafft werden musste. Halten Sie sich mit Ihrem Etatismus also zurück. Der Widerstand ist, dass die Islamverbände den Staat so lange unter Druck setzen und ihm auf die Finger klopfen, bis das Kopftuchverbot endgültig der Vergangenheit angehört. Für den einfachen Bürger gilt lediglich das Recht auf zivilen Ungehorsam: Ich akzeptiere das nicht. Ich praktiziere das nicht. Ich will das nicht. Egal was die Konsequenzen sind und zu welchem Preis.
01.04.20
15:07
Johannes Disch sagt:
@Dilaver (01.04.2020, 15:07) Die Islamverbände setzen den Staat unter Druck, solange, bis der etwas in ihrem Sinne ändert?? Der Witz ist gut. Sie überschätzen die Bedeutung und den Einfluss der Islamverbände. Entscheidend sind hier die deutschen Gesetze und die deutschen Gerichtsurteile. Und an einem Urteil des obersten deutschen Gerichts ist nicht mehr zu rütteln! Weder für die Regierung und schon gar nicht für die Verbände. Die Revision des Beschneidungsurteils war nicht dem Einfluss der Islamverbände geschuldet, sondern dem Bundesverfassungsgericht, das die bisherige Praxis damals für nicht verfassungskonform erklärte. Beim Verbot des Kopftuchs für Referendarinnen hat ebenfalls das oberste deutsche Gericht entschieden. Und damit ist das wasserdicht und ihr habt euch daran zu halten! An dem Urteil ist nicht mehr zu rütteln!
04.04.20
13:08
Johannes Disch sagt:
@Dilaver (01.04.2020, 15:07) -- "Für den einfachen Bürger gilt das Recht auf zivilen Ungehorsam" (Dilaver) Das Urteil des obersten deutschen Gerichts zum Kopftuchverbot für Referendarinnen nicht zu befolgen, das wäre kein ziviler Ungehorsam, sondern Rechtsbruch. Und dieser wird strafrechtlich geahndet. Der deutsche Staat wird dieses Urteil konsequent durchsetzen! Darauf können Sie sich verlassen. Und tun könnt ihr dagegen nichts. Nicht einmal die deutsche Regierung kann das. Und erst recht nicht die islamischen Verbände. Die stehen weder über der Regierung, noch über dem obersten deutschen Gericht. Schauen Sie also der Realität ins Auge und sehen ein, dass gegen dieses Urteil nichts mehr zu machen ist. -- "Wir..." (Dilaver) Für welches "wir" glauben Sie denn zu sprechen?? Für alle Kopftuchträgerinnen dieser Republik? Lassen Sie das doch die betroffenen Damen selbst entscheiden, ob sie Rechtsbruch begehen wollen oder sich an deutsches Recht halten.
04.04.20
13:30
Dilaver Çelik sagt:
@Johannes Disch Ich sagte bereits: Das Tragen eines Kopftuchs - auch durch bewusste Nichteinhaltung eines Kopftuchverbots - kann niemals kriminalisiert werden.
05.04.20
16:47
Dilaver Çelik sagt:
Off Topic: Wenn bei der Beschneidungsdebatte der Zentralrat der Juden in Deutschland dem Staat nicht auf die Finger geklopft und Druck ausgeübt hätte, dann hätte das Bundesverfassungsgericht sicherlich ganz anders entschieden. Jeder weiß das, doch kaum jemand traut sich das auszusprechen. Das ist sehr lobenswert und die Islamverbände können sich davon eine Scheibe abschneiden. Selbstkritisch betrachtet, müssen Muslime in Deutschland und vor allem die Islamverbände eine starke Lobbyarbeit leisten sowie die besten Anwälte der Bundesrepublik anheuern, um ihre Rechte durchsetzen zu können. So läuft der Laden hier. Doch davon sind sie leider noch zu weit entfernt.
06.04.20
17:34
Lisa sagt:
@Dilaver ..." Und die Kopftuchverbieter werden ihre gerechte Strafe noch bekommen, dass sie es am Ende bitter bereuen werden...." Was genau hat man darunter zu verstehen? Ich finde diese Äußerung höchst besorgniserregend. Ein Fall für den Verfassungsschutz. .?
07.04.20
8:36
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