Kopftuchverbot am Arbeitsplatz

Bundesarbeitsgericht überprüft Kopftuchverbot

Immer wieder beschäftigt das Kopftuch die Gerichte. Meist geht es um Lehrerinnen und die Neutralität im Staatsdienst. Aber darf auch eine Firma ihren muslimischen Verkäuferinnen das Kopftuch verbieten?

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2019
Kopftuch, Kopftuchverbot am Arbeitsplatz
Symbolbild: Kasse, Geschäft © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Doch die Grundrechts-Charta der EU kennt auch das Recht auf unternehmerische Freiheit. Aber wie weit reichen diese Freiheiten, und wo kollidieren sie? Darüber verhandelt am Mittwoch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Im vorliegenden Fall geht es um eine frühere Verkaufsberaterin und Kassiererin einer Drogeriekette. Der Muslimin wurde untersagt, ein Kopftuch während der Arbeit zu tragen.

Die türkischstämmige Muslimin arbeitete seit 2002 in einer Filiale im Raum Nürnberg. Zunächst ohne Kopftuch. Als die Verkäuferin nach einer Elternzeit mit Kopftuch in die Firma zurückkehrte, reagierte der Arbeitgeber 2016 mit der Weisung, sie habe „ohne auffällige großflächige religiöse, politische und sonstige weltanschauliche Zeichen am Arbeitsplatz zu erscheinen und ihre Arbeit aufzunehmen“. Die Drogerie berief sich dabei auf die betriebliche Kleiderordnung, nach der unter anderem Kopfbedeckungen aller Art bei Kundenkontakt nicht getragen werden dürfen.

Landesgericht gab Muslimin Recht

Die muslimische Verkäuferin sieht darin eine unzulässige Diskriminierung. Der Fall landete daraufhin vor dem Arbeitsgericht Nürnberg, das 2017 zugunsten der Frau entschied und das Unternehmen zur Nachzahlung von zwischenzeitlich nicht erfolgter Vergütung verurteilte. Mit einer Berufung gegen das Urteil hatte die Drogeriemarkt-Kette keinen Erfolg: Auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg urteilte im März 2018, dass die Arbeitgeberweisung rechtswidrig und die Arbeitnehmerin aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses „mittelbar diskriminiert“ sei, was nicht durch betriebliche Entscheidungen gerechtfertigt werden könne.

EuGH: „Arbeitgeber kann Kopftuch verbieten“

In seinem Urteil berücksichtigte das LAG auch zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu dieser Thematik. Dieser hatte unter anderem im März 2017 festgestellt, dass unternehmensinterne Regelungen, die religiöse Kleidung verbieten, durchaus gerechtfertigt sein können. Eine Firmenpolitik, die auf religiöse und weltanschauliche Neutralität gegenüber den Kunden ausgerichtet sei, sei ein legitimes Ziel. Damit hatte auch das beklagte Unternehmen in dem Verfahren argumentiert und auf das EuGH-Urteil Bezug genommen. Die Rechtsvertreter der Drogeriekette betonten zudem, die Weisung habe die negative Religionsfreiheit seiner Kunden berücksichtigt.

Das EuGH-Urteil entschied, dass das Kopftuch unter Umständen in Unternehmen verboten werden kann. Was sind diese „Umstände“ und was bedeutet das für die Einzelnen? Die Juristin Selma Öztürk Pinar hat die Antworten.

Das Landesarbeitsgericht entschied indes, im vorliegenden Fall seien die EuGH-Entscheidungen nicht anwendbar. Denn: Die Ausgangslage sei unterschiedlich, die Fälle nur bedingt vergleichbar. Die EuGH-Fälle beträfen Unternehmen des Dienstleistungssektors, die besonders auf das Wohlwollen ihrer Kunden angewiesen seien, weil ihnen sonst ein wirtschaftlicher Schaden entstehe.

„Keine subjektive Neutralitätspolitik betreiben“

Es lägen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Drogerie-Unternehmen derartige Nachteile zu erwarten hätte, wenn es die Klägerin mit Kopftuch beschäftigen würde, urteilten die Richter. Es handle sich um ein Einzelhandelsunternehmen, in dem Kunden unterschiedlicher Herkunft einkaufen, auch solche mit Kopftuch. Musliminnen mit religiöser Kopfbedeckung „gehören mittlerweile zum Straßenbild und finden sich demgemäß auch im Einzelhandel nicht nur als Kundinnen, sondern auch als Verkaufspersonal wieder“. Außerdem sei der Kontakt zwischen Kunden und Mitarbeitern bei der Firma relativ gering, da man sich in dem Laden selbst bediene.

Im Urteil hieß es dazu, dass es „nicht genügt, wenn der Arbeitgeber sich auf einen lediglich auf subjektiven Befindlichkeiten beruhenden Wunsch beruft, eine Neutralitätspolitik zu betreiben. Eine solchermaßen verordnete Neutralitätspolitik ist kein schützenswertes Gut der unternehmerischen Freiheit an sich.“ Denn diese Ansicht führe dazu, dass der unternehmerischen Freiheit gegenüber anderen gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten stets der Vorzug zu geben wäre, so der Nürnberger Gerichtsentscheid. Ob diese Lesart jetzt auch vor dem Bundesarbeitsgericht Bestand hat, bleibt abzuwarten.

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
@Britta (28. 01. 2019, 17:26) -- "Sie und ihre "Religion" machen mir Angst." (Britta) Manche lassen sich von der Islam-Hysterie leider anstecken. Sie sollten sich keine Angst machen lassen. Die meisten bei uns lebenden Muslime und Musliminnen verstehen und praktizieren ihre Religion friedlich in Einklang mit unseren Gesetzen--- auch die Musliminnen mit Kopftuch (Es sind nur ca. 30%, die eines tragen). Und was ihre martialische Schilderung des Schächtens betrifft: Richtig praktiziert ist das schonender als die Methoden in deutschen Schlachthöfen. Haben Sie sich die Zustände dort einmal angesehen?? Das Schächten ist auch den Juden gestattet. Man fokussiert sich bei dem Thema leider aber immer nur auf den Islam. Wie gesagt, Juden ist es auch gestattet. Man kann nicht der einen Religion verbieten, was man einer anderen erlaubt.
06.02.19
11:10
grege sagt:
Ängste vor dem Rechtsradikalismus oder Rechtspopulismus sollte man auch nicht als Hysterie abtun, sondern lassen sich leider anhand schrecklicher Tatsachen plausibel nachvollziehen. Ähnliches verhält es sich leider auch mit dem islamischen Terrorismus und Extremismus, dessen Gedankengut leider auch die Mitte der Muslime hierzulande erreicht hat. Selbstverständlich rechtfertigt das keine strafbare Hetze gegen Muslime. Wer jedoch aus einem falschen Toleranzverständnis in das gegenteilige Extrem verfällt und Islamkritik pauschal mit Islamfeindlichkeit gleichsetzt, avanziert zum Steigbügelhalter Rechtspopulisten.
08.02.19
20:51
Kafira sagt:
Ömer Herold sagt: Die Kommentare hier zeugen nicht von einer sehr offenen Willkommenskultur und einer Bereitschaft zur Integration von Menschen aus fremden Kulturen. (Integration funktioniert nämlich nur wenn beide Seiten aufeinender zugehen.) -------- Kafira sagt: Intergration funktioniert nicht, wenn Gäste von ihre Gastgeber ständig Anpassung fordern, selber dazu keineswegs bereit sind. Kafira sagt: Sie haben's erfasst, verehrter Herold: Die Muslims haben ihren Kredit (Willkommenskultur) durch ihr unmögliches Benehmen gründlich verspielt. Heute überlegen wir nur noch: wie werden wir die Muslims auf eine humane Weise wieder los?. Und Was können wir tun, damit sie ein Minimum an Unheil anrichten? Und Wie können wie erreichen, dass möglichst wenige noch dazukommen? Und Wie können wir sie daran hindern, hier zu missionieren und uns ihre abartige Gewohnheiten aufzuzwingen? Die AntiKopftuch Bewegung ist ein hoffnungsvoller Ansatz: Betriebe, Geschäfte, Praxis, Bahn-Auskunft, Schulen usw Diese alle wehren erfolgreich Kopftuch Mädchen. In deren Räumen sind sie zum Glück nicht zu sehen. Wenn MuslimFrauen nur wählen können zwischen Arbeit und Einkommen ( Kopftuch-Frei ) und Allah, (Kopftuch Zwang ) dann verliert Allah meistens bei der Überlegung Job oder Allah. Das hat aber keinerlei praktische Auswirkung - denn Aller logischer Vernunfts-Überlegungen nach ist Allah ohnehin nur ein Fantom. Gruss
10.02.19
2:06
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: "Sie verstehen nicht, warum Muslime, die bei uns leben, ihre Religion ausüben wollen? Nun, die Antwort ist ganz einfach: Weil ihnen unsere Verfassung das als Grundrecht garantiert." Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf freie Religionsausübung bezieht sich auf das Privatleben. Die verfassungsrechtlich verbrieften politischen Freiheitsrechte bedeuten auch nicht, dass ein Lehrer berechtigt ist, im Unterricht ein Parteiabzeichen zu tragen.
15.02.19
12:40
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (15.02.19, 11:40) -- "Das verfassungsrechtlich verbriefte Grundrecht auf Religionsfreiheit bezieht sich auf das Privatleben." (Ute Fabel) Das ist falsch. Und warum das falsch ist, das habe ich Ihnen hier schon so oft erklärt, dass ich es jetzt bleiben lasse. Ein Blick in unser GG und in das Religionsverfassungsgesetz zeigt, wir sind ein säkularer Staat (und kein laizistischer!), der das Ausüben von Grundrechten-- darunter auch das auf Religionsfreiheit-- auch im öffentlichen Raum gestattet. Und warum ein Parteiabzeichen (oder eine Burschenschafterkappe, ein weiteres beliebtes Beispiel von Ihnen) nicht mit einem religiösen Symbol vergleichbar oder gar gleichzusetzen ist, habe ich ebenfalls mehr als nur einmal erläutert.
20.02.19
15:12
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (15.02.19, 12:40) -- Das verfassungsrechtlich verbriefte Grundrecht auf Religionsausübung bezieht sich auf das Privatleben." (Ute Fabel) Noch einmal in Kurzform, weil Sie diesen Unfug immer wiederholen, was langsam wirklich nervt: Unsere Verfassung gestattet das Ausüben von Grundrechten-- darunter auch die Religionsfreiheit-- auch im öffentlichen Raum. Jeder Kommentar zum Grundgesetz macht das deutlich. Ihre Aussage ist genauso eindeutig falsch, als würden sie behaupten, heute ist Mittwoch, Nö, heute ist Donnerstag. --
21.02.19
14:04
Kafira sagt:
Guten Tag, " Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht." so Islamiq. Das sieht Kafira ebenso - - obwohl sie Religionen, besonders den Islam, für gefährlichen Nonsens hält. Wenigstens ist das so in der Menschenrechts-Deklaration der UN festgelegt. Viele demokratische Rechtsstaaten, Deutschland, die Niederlande Österreich usw. haben dieses Declaration unterschrieben. (leider kein Islamistischer Staat.) Dennoch gilt in vom Islam beherrschten Staaten dieses Menschenrecht. Dort jedoch mit der Einschränkung, dass diese Religionsfreiheit ausschliesslich für den Islam gilt. Erstaunlich, dass Islamisten, die aus solche Staaten stammen, für Deutschland ein Recht anfordern, dass Islamistische Staaten ihren Bewohnern verweigern. Kafira
22.02.19
1:07
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: „Und warum ein Parteiabzeichen (oder eine Burschenschafterkappe, ein weiteres beliebtes Beispiel von Ihnen) nicht mit einem religiösen Symbol vergleichbar oder gar gleichzusetzen ist, habe ich ebenfalls mehr als nur einmal erläutert.“ Nein, Herr Disch, das konnten Sie bisher nicht erklären und Sie werden es auch nicht können! In Pargraph 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz steht geschrieben: Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der ... der Religion oder Weltanschauung ...zu verhindern oder zu beseitigen. Überzeugte Träger von Parteiabzeichen und Burschenschafterkappen dürfen arbeitsrechtlich gegenüber dem Kopftuchtragen nicht schlechter gestellt werden.
25.02.19
18:39
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (25.02.19) Warum eine Burschenschafterkappe oder ein Parteiabzeichen nicht gleichzusetzen ist mit einem religiösen Symbol, das habe ich hier sehr wohl häufig erläutert und gedenke nicht, es laufend zu wiederholen. Dann müssen Sie halt etwas im Archiv von "Islamiq" recherchieren. Dann werden sie es finden. Arbeitsrechtlich wird auch niemand schlechter gestellt. Was Reichweite und Grenzen politischer Äußerungen am Arbeitsplatz betrifft, da orientiert man sich bis heute an einem Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück aus dem Jahre 1984. Da ging es um das Tragen der "Stoppt Strauß-Plakette." Ein neueres Urteil zu dem Thema Politik am Arbeitsplatz gab es 2017 vom LAG Nürnberg. Da machte ein Busfahrer bei der Arbeit zu häufig und zu penetrant Werbung für die Bürgerinitiative "Die Rechte." Kurz und knapp formuliert: Das (Grund)Recht auf freie Meinungsäußerung verliert man natürlich auch nicht am Arbeitsplatz. Aber wie jedes Grundrecht, so hat auch dieses Grenzen. Es gilt abzuwägen zwischen dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und den Interessen des Betriebes. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass der Fokus auf dem Job liegt und nicht auf politischer Propaganda. Ähnlich ist es bei dem Grundrecht auf Religionsfreiheit. Macht die Muslimin aus ihrem Arbeitsplatz Klein-Mekka und betreibt ständig Werbung für ihre Religion, so ist hier die Grenze der Religionsfreiheit erreicht. Trägt sie lediglich ein Kopftuch und macht ansonsten ihren Job, so ist dagegen nix einzuwenden.
27.02.19
11:19
Ute Fabel sagt:
Der Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing hat den Rechtssatz geprägt, wonach die Weltanschauung "nicht der kleine Bruder der Religion" sei. Eine Burschenschafterkappe drückt eine deutschnationale Weltanschauung aus, ein rotes T-Shirt mit Hammer-Und-Sichel-Aufdruck eine kommunistische Weltanschauung. Die Weltanschauung genießt nach dem Gleichbehandlungsrecht den gleichen Schutzumfang wie die Religion. Das diskriminierungsfreie optische Neutralitätsprinzip unterbindet ein Faustrecht derjenigen, die ihre Gesinnung allen optisch aufdringlich unter die Nase binden wollen.
05.03.19
13:20
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