Nationalismus

Brüssel verklagt Ungarn wegen Asylpolitik vor EuGH

Ungarn und die EU-Kommission liegen seit Jahren im Streit über die europäische Migrationspolitik. Trotz mehrfacher Kritik aus Brüssel lenkt Budapest nicht ein. Nun geht es vor Gericht.

21
07
2018
Viktor Orban © Facebook, bearbeitet by iQ.
Viktor Orban © Facebook, bearbeitet by iQ.

Die EU-Kommission erhöht wegen der ungarischen Asylpolitik den Druck auf die rechtsnationale Regierung in Budapest. Die Brüsseler Behörde kündigte am Donnerstag an, Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Dies ist der letzte Schritt des sogenannten Vertragsverletzungsverfahrens, das im Dezember 2015 eingeleitet worden war. Die meisten Bedenken seien seitdem nicht ausgeräumt worden, sagte eine Sprecherin.

Zudem leitete die EU-Kommission ein neues Verfahren gegen Budapest wegen eines umstrittenen Gesetzes gegen Flüchtlingshelfer ein. Auch dies verstößt aus Brüsseler Sicht gegen EU-Recht.

„Beihilfe zur illegalen Migration“

Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für „Beihilfe zur illegalen Migration“ vor. Bei Verstößen drohen im Wiederholungsfall Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. Es wird auch als „Stop-Soros-Paket“ bezeichnet – in Anspielung auf den liberalen US-Milliardär George Soros, der weltweit Nichtregierungsorganisationen unterstützt und ungarische Wurzeln hat.

Ungarns Regierungspartei Fidesz verurteilte das neue Verfahren scharf und beschuldigte die EU, im Dienst des US-Philantropen George Soros zu stehen, der Vereine unterstützt, die Flüchtlingen humanitäre Hilfe bieten. „Das jetzt eingeleitete Verfahren bekräftigt, dass Brüssel für Einwanderung ist und die Soros-Organisationen verteidigt“, teilte die Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban mit. Das Verfahren beweise, „dass Soros auch in der Brüsseler Kommission seine Leute hat.“

Bei der EuGH-Klage geht es unter anderem darum, dass die ungarischen Asylverfahren nur in Transitzonen an den Außengrenzen des Landes durchgeführt werden. Zu den Zonen bekomme nur eine begrenzte Zahl an Personen Zugang, zudem müssten diese übermäßig lange warten. Dieses Verfahren verstoße gegen EU-Recht, weil die Höchstdauer von vier Wochen nicht eingehalten werde und es keine Garantien für besonders Schutzbedürftige gebe.

ungarische Abschiebepraxis

Auch die ungarische Abschiebepraxis verstößt nach Ansicht der EU-Kommission gegen geltendes EU-Recht. Es sei nicht gewährleistet, dass Abschiebe-Entscheidungen einzeln erlassen werden und die Betroffenen Informationen über mögliche Rechtsmittel erhalten.

Das Gesetz gegen Flüchtlingshelfer war im Juni mit den Stimmen der rechtsnationalen Regierungsmehrheit und der rechtsradikalen Jobbik-Partei verabschiedet worden. Es beschneide das Recht von Asylbewerbern, „mit einschlägigen nationalen, internationalen und nichtstaatlichen Organisationen zu kommunizieren und von diesen Unterstützung zu erhalten“, hieß es von der Kommission. Zudem verstießen neu eingeführte Gründe für die Unzulässigkeit von Asylanträgen gegen EU-Recht. Ungarn hat nun zwei Monate Zeit, eine Stellungnahme dazu abzugeben.

„Ansiedlung fremder Völker“

Experten des Europarats hatten bereits kritisiert, mit dem Gesetz würden Aktivitäten von Flüchtlings-Hilfsorganisationen kriminalisiert. Zugleich hatte Ungarn auch seine Verfassung geändert. In Artikel fünf heißt es nun, dass die „Ansiedlung“ fremder Völker verboten sei. Dies war Ministerpräsident Viktor Orban zur weiteren Legitimierung seiner Antiflüchtlingspolitik wichtig.

Ungarn gilt als heftiger Kritiker der europäischen Migrationspolitik und stemmt sich seit Jahren gegen eine verpflichtende Umverteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten. Orban tritt für eine strikte Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen und Migranten ein. Bereits im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission eine EuGH-Klage gegen Ungarn, Tschechien und Polen eingeleitet. Dabei ging es um die mangelnde Teilnahme an der Umverteilung von 120 000 Flüchtlingen. Die Verteilung hatten die EU-Staaten 2015 beschlossen. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Dafür wurde es Zeit. Wenn sich die EU solche Dinge noch länger gefallen lässt, dann kann sie den Laden dicht machen.
23.07.18
10:31
Ute Fabel sagt:
Es ist gut, dass die EU mit ihrem modernen, humanistischen Wertekompass Verteidigern des christlichen Abendlands wie Herrn Orban klare rechtliche Grenzen setzt. Jesus hatte für Menschen, die nicht gleich bereitwillig zum Christentum konvertieren wollen, laut Evangelien leider auch kein offenes Ohr. Gegenüber seinen Jüngern, die er auf Bekehrungsmission schickte, setzte Jesus diese Andersdenkenden mit sogar Staub gleich und drohte ihnen Vernichtung an: Matthäus 10:16: Und wo euch jemand nicht annehmen wird noch eure Rede hören, so geht heraus von demselben Haus oder der Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen. Matthäus 16:15: Wahrlich ich sage euch: Dem Lande der Sodomer und Gomorrer wird es erträglicher gehen am Jüngsten Gericht denn solcher Stadt.
24.07.18
10:59
Enail sagt:
Ja, vielleicht sollte sie den Laden tatsächlich dicht machen. Eine EU, die ihre erhobenen Zöllen nach Brüssel abführen, und das nicht wenig, und die amerikanischen Zölle als Strafzölle bezeichnet. Prof. Werner Sinn machte diesbezüglich deutliche Aussagen. Eine EU, die sich an allem und jeden bereichert, mit den abgehalfterten Politikern aus den verschiedenen Ländern; die eine Wirtschaftspolitik betreiben, die dem Kontinent Afrika keine Chancen lässt, auf eigenen Füßen zu stehen. Die den afrikanischen Markt mit europäischen Gütern überschwemmt, wo der afrikanische Bauer nicht dagegen halten kann. Das ist nicht die EU wie sie die Gründungsväter im Blick hatten. In erster Linie, um Kriege zu vermeiden. Dann kam der wirtschaftliche Zusammenschluss. Und heute tummeln sich da angebliche Politiker, die sich nur bereichern wollen und die die Zusammenhänge nicht erkennen oder eher würde ich sagen, nicht sehen wollen. Und dann Länder verklagen wollen, die die Folgen dieser desaströsen Politik der EU nicht tragen wollen.
26.07.18
0:59
Johannes Disch sagt:
@Enail (26.07.18, 0:59) Se haben die aktuellen Defizite der EU prima auf den Punkt gebracht.
28.07.18
0:32