Moscheestudie in Österreich

„Eine Studie nach eigenen Maßstäben“

Die Moscheestudie des österreichischen Außenministers Kurz heizt die Gemüter nach wie vor auf. Warum mit ihr nur ein künstlich erzeugter Diskurs über Muslime erzeugt werden soll, erklärt Rami Ali.

08
10
2017
Der Wissenschaftler Heiko Heinisch ist der Autor der neuen "Moschee-Studie", hier in einer Talkrunde zur ebenfalls umstrittenen "Kindergarten-Studie", die nun geprüft wird. © Screenshot/servus.tv

Rechtzeitig vor den Nationalratswahlen am 15. Oktober wird eine neue Studie veröffentlicht. Der Titel des Berichts lautet: „Die Rolle der Moschee im Integrationsprozess“. Das „Forschungsobjekt“ ist auch dieses Mal „der Islam“, ebenso heißt auch diesmal der Auftraggeber Sebastian Kurz. Schon bei der Ankündigung der Pressekonferenz war vielen klar, was das Ergebnis der Studie sein würde: ein künstlich erzeugter und von ideologisch motivierten Personen dominierter Diskurs über Muslime. Der politische Missbrauch einer solchen Studie ist also schon durch den Auftraggeber prädestiniert, der vermehrt versucht, das „Integrationsproblem“ zu konfessionalisieren, in diesem Fall, zu islamisieren. Des Weiteren ist schon beim Betrachten der Autoren der Studie klar, in welche Richtung diese gehen wird.

Beide Autoren, Heiko Heinisch und Imet Memedi, haben mit dem Institut für islamische Studien, dessen Vorstand Ednan Aslan ist, direkt zu tun. Herr Heinisch ist nach wie vor Mitarbeiter am Institut. Imet Memedi war bis vor kurzem am Institut tätig. Bezeichnend aber nicht überraschend ist die Tatsache, dass beide auf der Institutshomepage nicht aufgelistet werden. Besonders problematisch ist hier die Tatsache, dass das Institut für islamische Studien vermehrt politische Aufträge für „Studien“ entgegennimmt und dabei – wie man auch bei der letzten Studie aus dem Haus vernehmen konnte – wissenschaftlich unsauber arbeitet. Eine dieser „Studien“, die sogenannte „Kindergartenstudie“, befindet sich aufgrund der berechtigterweise aufgezeigten Mängel, in einem universitäts-externen Prüfungsverfahren.

Dass genau die „Kindergartenstudie“ – neben anderen fragwürdigen Studien, etwa dem „Moscheereport“ von Constantin Schreiber – in der neuen Studie von Heinisch zitiert wird, könnte als Indiz für die Befangenheit des Autors im Hinblick auf Publikationen des Instituts für Islamische Studien gewertet werden. (Tatsächlich finden sich insgesamt vier Werke von Ednan Aslan im Literaturverzeichnis – mehr als von einem anderen Autor). Ebenso erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass Herr Heinisch sich im Umfeld von Leuten wie Saida Keller-Messalhi, Zana Ramdani, Hamed Abdelsamad und Ahmed Mansour bewegt.

Eigene Befangenheit ein Problem?

Man könnte jetzt natürlich argumentieren, dass Menschen, die eine gewisse Agenda verfolgen, dennoch wissenschaftlich sauber arbeiten können. Dem stimme ich prinzipiell zu. Auch in den Sozialwissenschaften wird unterstrichen, dass die eigene Rolle, die eigene Befangenheit immer im Prozess des Forschens zu berücksichtigen ist. Dies trifft vor allem auf die teilnehmende Beobachtung zu, eine Methode, die in der Studie verwendet wurde. Die Frage die sich für mich hier stellt, ist ob der Autor, trotz finanzieller Abhängigkeit und einem klaren politischen Auftrag, sich mit seiner eigenen Befangenheit kritisch auseinandergesetzt hat um zu brauchbaren Analysen und Interpretationen der Beobachtungen zu kommen. Unabhängig wie man diese Frage beantworten möchte/kann, bleibt uns die Möglichkeit, die Studie für sich zu betrachten. Hierbei fallen relativ schnell einige Probleme auf.

Heiko Heinisch hat für seine Studie die Freitagspredigten in insgesamt 16 Moscheen auswerten lassen. 38% dieser Moscheen attestiert er dann – anhand eines selbst entworfenen Modells zur Messung der Integration –  eine „aktive Arbeit gegen Integration“.

Spannend ist dabei, dass der Autor selbst (S. 21) betont, dass die Studie im sozialwissenschaftlichen Sinne nicht repräsentativ ist, da die Moscheenlandschaft und Freitagspredigten viel zu heterogen sind. Deshalb habe man sich für einen qualitativen Zugang entschieden.

Aufgrund der Größe und der Komplexität der Wiener Moscheelandschaft und des budgetierten Rahmens hat die Studie einen explorativen Charakter. Sie ist nicht repräsentativ. Vielmehr konzentrierte sich die Untersuchung, ausgehend vom Thema „Die Rolle der Moschee im Integrationsprozess“, auf Moscheen mit großer Reichweite.“

Ihm ist anzurechnen, dass er hier selbst auf die mangelnde Repräsentativität hinweist. 16 Moscheen als Sample für 400 Moscheen in Österreich herzunehmen, ist selbstverständlich dürftig, aber, je nach Forschungsdesign, in den qualitativen Sozialwissenschaften, zulässig. Problematisch ist hier aber vor allem ein selektives Vorgehen beim Auswählen der Moscheen, nämlich jenen „mit der größten Reichweite“. Darüber hinaus weiß natürlich Heiko Heinisch, dass das, was von einer 91-seitigen Studie in der Öffentlichkeit übrigbleibt, das Resümee (38% arbeiten gegen Integration) ist. Sebastian Kurz meinte in der Pressekonferenz, man dürfe Muslime deshalb nicht unter Generalverdacht stellen und suggeriert damit, dass die Studienergebnisse wissenschaftlich relevant seien. Dem ist, bei einer derartig kleinen und selektivem Sample nicht so.

Umstrittene Begriffskonzepte

Weiteres werden am Anfang der Studie Fragestellungen definiert, anhand welcher die Beobachtung stattfinden sollten. Einige dieser Fragen sind in hohem Maße suggestiv und eigenen sich deshalb nicht dafür, eine objektive Betrachtung durchzuführen, vor allem auch deshalb, weil sie Begriffskonzepte voraussetzen, die von den Autoren festgelegt und nach eigenem Empfinden definiert werden, wie etwa bei Frage 6: „Werden in Moscheen theologische Inhalte verbreitet, die als Grundlage des Fundamentalismus betrachtet werden können?“

Was die Autoren alles unter „Fundamentalismus“ verstehen, fassen sie bei der Beantwortung der Frage auf S. 73 zusammen:

Als Grundlage fundamentalistischer Ansichten wurde gewertet, dass religiös begründete Abwertungsideologien (gegenüber der Mehrheitsgesellschaft, der Demokratie, DEM Westen, Anders- oder Nichtgläubigen), eine antimoderne Grundeinstellung und Intoleranz gegenüber anderen Weltanschauungen und Lebensweisen verbreitet werden, für eine weltweite „Gemeinschaft der Gläubigen“, für islamische Überlegenheit und einen islamischen Führungsanspruch geworben wird. Anhand der erhobenen Daten aus beobachteten Predigten, Interviews und Online-Auftritten kann diese Frage für fünf der untersuchten 16 Moscheen mit ja beantwortet werden: Pa01, S01 sowie drei der sechs türkischen Moscheen (Ta01, Ti02, Tf01). Wobei der Grad fundamentalistischer Tendenzen zwischen den einzelnen Moscheen stark variiert.“

So wird der historisch, kulturell und religiös gewachsene Begriff „Umma“ (hier: Gemeinschaft der Gläubigen) als Teil von fundamentalistischen Ansichten gesehen. Es bleibt auch offen, was unter „anti-modern“ verstanden werden soll.

Bei Frage 4 wird gefragt, ob die Angebote der Moschee zum „Verbleiben im eigenen Sozialverband und tragen zur Stärkung oder Bewahrung der eigenen ethnischen, religiösen und kulturellen Identität“ beitragen. Es ist auch hier problematisch, Konzepte wie ethnisch, religiös und kulturell innerhalb einer Frage zusammenzufassen, scheinbar um die Zahl der Beobachtungen nach oben zu treiben.

Wer wurde befragt und warum?

Frage 3 beschäftigt sich mit dem Grad der Rolle für Integration/Segregation: „Tragen in Moscheen verbreitete Inhalte und Einstellungen zur Integration oder zur Segregation bei?“

Selbst aus der Perspektive qualitativer Sozialforschung ist diese Frage – die in dieser Studie zentral ist und auf der ein großer Teil der Interpretation basiert – höchst problematisch. Dieser Punkt ist für die Kritik an der Studie von besonderer Bedeutung.

Moscheen werden nicht „integriert“, Aussagen auch nicht, sondern im besten Falle integrieren sich Menschen. Es geht bei dieser Studie darum, herauszufinden, inwiefern Moscheen zur Integration beitragen. Diesen „Grad“ an Integration kann man sinnvoller Weise also nur dann messen, wenn man auch jene befragt, um die es geht. Ansonsten macht eine solche Überprüfung weder aus der Perspektive der Vernunft, noch aus der Perspektive qualitativer Sozialforschung einen Sinn. Die Autoren haben einige der Imame interviewt, um deren Aussagen es geht. Allerdings wurde kein einziger Moscheebesucher gefragt. Wenn ich aber wissen möchte, inwiefern Aussagen zur Integration/Segregation beitragen, dann muss ich selbstverständlich mit jenen sprechen, an welche diese Aussagen gerichtet sind.

Heiko Heinisch bewertet mit der Studie also – nach eigenen Maßstäben – bestenfalls die Aussagen von Predigern, keinesfalls aber die Rolle dieser Predigten im Integrationsprozess, geschweige denn die Auswirkungen dieser auf den individuellen Integrationsprozess.

Selbst beim Literaturverzeichnis entsteht der Eindruck einer sehr selektiven Wahl der zugrunde liegenden Werke. Man kann über das Auslassen zentraler Werke zum Themenkomplex Islam in Österreich diskutieren – dies vermag meiner persönlichen Meinung zugrunde liegen. Es scheint mir jedoch hinterfragungswürdig, warum kaum ein Werk aus der Disziplin der Islamwissenschaften angeführt wird, sollte doch auch diese Perspektive essentiell für die Interpretation und Analyse der Beobachtungen sein. Oder doch nicht?

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Meine Güte, hoffentlich ist die Austria-Wahl bald gelaufen und Kurz Bundeskanzler. Dann hören vielleicht endlich die Kurz-Islam-Studien auf....
09.10.17
10:50
Ute Fabel sagt:
Meine dringende Empfehlung an alle meine Mitbürger mit Migrationshintergrund: Schickt eure Kinder in öffentliche Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen! Das erweitert den Horizont am meisten, weil dadurch Kontakte zu Familien mit einem anderen religiösen oder ethischen Hintergrund ermöglicht werden. Man braucht gar keine Studien, um zu wissen, dass das Aussieben von religionsunmündigen Kindern nach dem Religionsbekenntnis der Eltern zur Spaltung der Gesellschaft beiträgt. Religionsgemeinschaften sollten überhaupt keine Kinderbetreuungs- und Erziehungseinrichtungen betreiben. Sie sollten sich auf ein reines Freizeitangebot im Rahmen ihrer Jugendorganisationen beschränken.
09.10.17
10:54
Frederic Voss sagt:
Rami Ali würde sicherlich viel lieber eine Studie nach seinen eigenen Maßstäben für alle verbindlich machen wollen. Grundsätzlich ist es so, daß die meisten nicht islamisch geprägten Menschen es immer weniger mögen, sich ständig mit dem Thema Islam befassen zu sollen. Oder anders gesagt, sie haben es immer mehr satt. Hamed Abdel-Samad und Kollegen zeigen natürlich Zusammenhänge auf, die hier gar nicht gewünscht sind. Wo Österreich sich hinentwickeln soll, bestimmen nicht islamische Normvorstellungen oder Maßstäbe, die einem Mann zugeordnet werden, der vor 1400 Jahren lebte und auch leidenschaftlicher Kriegsfürst war.
09.10.17
12:22
Dilaver sagt:
Vielen Dank für die Analyse, welche aufzeigt, dass Religionsfeinde hinter ihrer übermächtigen Fassade armselige bemitleidenswerte Menschen sind, die in permanenter Verunsicherung und Angst leben, dass eines Tages jemand ihnen sagen könnte, wo es lang geht. Die sollen nur tun was sie nicht lassen können. Die können es schließlich nicht anders. Wir gehen auch unseren eigenen Weg weiter, unabhängig davon, wo wir leben. Wir sind nur Gott Rechenschaft schuldig, niemandem sonst. Abgerechnet wird bekanntlich zum Schluss. Dazu das türkische Sprichwort: Yanlış hesap Bağdat'tan döner.
09.10.17
14:31
Johannes Disch sagt:
@Frederic Voss Es geht um die Seriosität der Studie. Und daran kann man begründete Zweifel anmelden. Es geht auch nicht um islamische Normvorstellungen. Es geht um die österreichische Verfassung. Und die garantiert Religionsfreiheit, und zwar auch für Muslime und ihre Religion, den Islam. Dasselbe gilt für die Grundrechtecharta der EU. Auch daran muss sich Österreich halten. Und auch diese Charta kennt Religion als Grundrecht. Ihr könnt das Thema Islam nicht mehr hören? Dann hört doch auf, Muslime für Dinge verantwortlich zu machen, für die sie nichts können. Aha, Abdel-Samad zeigt Zusammenhänge auf?? Vielleicht für Leute, die das Wort "Islam" grade mal fehlerfrei schreiben können. Wer sich in dem Thema auskennt, der zuckt bei Abdel-Samad nur mitleidig mit den Schultern. Der Mann ist nix weiter als ein marktschreierischer Wichtigtuer. Rationale sachliche Islamkritik geht anders.
09.10.17
17:41
Johannes Disch sagt:
@Frederic Voss Dass Muslime diese Studie kontrovers und kritisch sehen, das ist ihr gutes Recht und nur zu gut verständlich. Schließlich sind Muslime das Thema der Studie. Es geht auch nicht um islamische Normen. Es geht um die österreichische Verfassung. Und diese gewährt Religionsfreiheit als Grundrecht. Und dieses gilt auch für Muslime und ihre Religion, genannt Islam. Abdel-Samad zeigt Zusammenhänge auf? Na ja, der Mann ist als "Islam-Aufklärer" nur bedingt tauglich.
10.10.17
11:20
Manuel sagt:
Hrn. Rami Ali passt es offenbar nicht, dass es in Österreich auch einmal kritische Stimmen zum Islam gibt, wir leben aber in Europa und da herrscht Meinungsfreiheit und keine islamische Religionsdiktatur!
10.10.17
18:21
Johannes Disch sagt:
@Manuel Diese Meinungsfreiheit gilt aber auch für Muslime. Also ist es das gute Recht von Herrn Ali, seine Einschätzung zu dieser Studie abzugeben.
11.10.17
11:58
Dilaver sagt:
Was hier als "wissenschaftliche Studie" verkauft wird, ist nichts anderes als pseudowissenschaftliche zweckgerichtete Gesinnungsschnüffelei im Auftrag einer politischen Konjunktur, welche nichts gutes verheißt. Viertes Reich lässt grüßen! Mit anderen Worten: Religionsfeindliche Paranoia vom feinsten. Sonst nichts. Für die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, dem offiziellen Vertretungsorgan der Österreicher islamischen Glaubens, ist "dik durmak" das Gebot der Stunde. Der Politik müssen mit allen Konsequenzen die Grenzen aufgezeigt werden, und nicht umgekehrt.
12.10.17
15:55
Manuel sagt:
@Dilaver: Wen Grenzen aufgezeigt werden müssen, sind die AKP-Islamisten, die über die die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich ihren türkischen politischen Islam verbreiten wollen.
12.10.17
18:34
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