Studie zur Radikalisierung

Radikalisiert religiöses Wissen?

Ednan Aslan, Verfasser der umstrittenen Kindergartenstudie, hat eine neue Studie veröffentlicht. Diesmal zum Thema: „Islamistische Radikalisierung“. Für den Politikwissenschaftler Rami Ali ist auch diese Studie fragwürdig.

03
08
2017
Screenshot: Ausschnitt Cover der Studie "Islamische Radikalisierung. Biogarfische Verläufe im Kontext der religiösen Sozialisation und des radikalen Milieus" © by IslamiQ
Screenshot: Ausschnitt Cover der Studie "Islamische Radikalisierung. Biogarfische Verläufe im Kontext der religiösen Sozialisation und des radikalen Milieus" © by IslamiQ

Das Institut für Islamisch-theologische Studien in Wien hat eine neue „Schockstudie“ mit dem Titel „Islamistische Radikalisierung, Biografische Verläufe im Kontext der religiösen Sozialisation und des radikalen Milieus“ veröffentlicht. Die Autoren sind Ednan Aslan, dessen umstrittene Kindergartenstudie derzeit von der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) einer Prüfung auf Wissenschaftlichkeit unterzogen wird, und Evrim Erşan Akkılıç.

Die Haupterkenntnis der Studie ist, dass radikalisierte Menschen sehr wohl religiöses Wissen besitzen, ehe sie in die Fanatisierung schlittern. Das ist eine Schlussfolgerung, die in Widerspruch zu bisherigen repräsentativen Studien steht, darunter die MI5 Studie in London (2008), die Combating Terrorism Center-Studie (2016) und die jüngste Studie der Universitäten Osnabrück und Bielefeld (2017). Diese kommen zu dem Ergebnis, dass der Großteil radikalisierter Menschen, wenig bis kaum religiöses Wissen besitzen. Erstere zog mitunter auch das Fazit, dass früh-religiöse Erziehung gar gegen Radikalisierung helfe. Renommierte Wissenschaftler aus Deutschland, etwa Michael Kiefer oder Peter Neumann, bestätigen dies. Auch der österreichische Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker teilt diese Auffassung.

Wenn man diese Studien mal ausblendet und die neue Studie für sich betrachtet, gewinnt man den Eindruck, dass Ednan Aslan – wie auch bei der Kindergartenstudie – gewisse Vorannahmen hat, mit denen er auch in diesen Auftrag gegangen ist und die er gerne bestätigt sehen möchte.

Zentrale Thesen der Studie

Zentrale Ergebnisse der Studie sind u. a. folgende:

1. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass sich die interviewten Personen in ihrem Radikalisierungsprozess aktiv mit Inhalten, Normen und Wertvorstellungen der islamischen Lehre auseinandersetzten.

2. Diese intensive Auseinandersetzung mit theologischen Themen stelle bei vielen Befragten einen Wendepunkt in ihrem Leben dar, der mehrheitlich positiv bewertet werde.

3. Der Großteil der Befragten stamme aus einem gläubigen muslimischen Elternhaus und habe bereits vor dem Kontakt mit der islamischen Theologie Kenntnisse über die Grundlagen des Islams gehabt. Die im gesellschaftlichen Diskurs herrschende Annahme, dass radikalisierte Personen mehrheitlich über eine geringe Kenntnis der Religion verfügen, habe sich in der Studie nicht bestätigt.

Der dritte Punkt stellt wohl die Hauptthese dar und fand Einzug in die Medienberichte: Aslan beschreibt diese These als „die im gesellschaftlichen Diskurs herrschende Annahme…“. Damit ignoriert er allerdings die aktuelle Studienlage zu diesem Thema, die wie oben hingewiesen, relativ eindeutig ist. Die Annahme, dass radikalisierte Menschen über wenig religiöses Wissen verfügen, ist eine wissenschaftliche Feststellung, die durch repräsentative Studien mehrfach belegt wurde – und nicht ein Teil eines beiläufigen gesellschaftlichen Diskurses. Ednan Aslan suggeriert damit, dass alles, was wir über radikalisierte Menschen und die Rolle der Religion in diesem Prozess wissen, falsch ist.

Mängel der Studie

Wie kommt Aslan zu seinen Ergebnissen und wie überprüft er sie? Um solche Aussagen treffen zu können, wurden in der Studie 29 narrativ-biografische Interviews durchgeführt, 26 in österreichischen Gefängnissen und 3 in Wiener Jugendeinrichtungen. 15 der Gefangenen saßen wegen terroristischen Straftaten in Haft. Hinzu kommt, dass 2/3 der Befragten einen tschetschenischen Migrationshintergrund haben.

Vor diesem Hintergrund muss gefragt werden, wie repräsentativ eine Studie sein kann, die eine Aussage über „einen gesellschaftlichen Diskurs“ und allgemeine Radikalisierungsprozesse treffen möchte, und dabei einen Stichprobenumfang von 29 Personen aufweist? Kaum repräsentativ.

Zudem ist auffällig, dass die Befragten Teil eines sehr spezifischen Milieus sind. Die Interviews wurden mit Gefängnisinsassen geführt, von denen die Hälfte nach dem Terrorismus-Paragraphen verurteilt wurde. Das sind Menschen, die sich nach gängigen Modellen der Einstufung von Radikalisierung, auf der letzten Stufe befinden. Eine stärkere Radikalisierung ist kaum möglich. Manche dieser Menschen waren mitunter bereit zu morden bzw. sich einer terroristischen Organisation anzuschließen. Das ist in etwa so, als würde man eine Studie über Suchtverhalten mit Menschen durchführen, die schwer abhängig sind von harten Drogen, wie etwa Heroin, aber den Anspruch erhebt, Aussagen über Hanfkonsumenten treffen zu können bzw. über alle, die mit Drogen zu tun haben. Allein die Spezifika der Zielgruppe sollten Grund genug sein, derartige Schlussfolgerungen nicht ziehen zu können.

Hinzu kommt, dass 2/3 der Gruppe tschetschenischer Abstammung sind. Jeder, der auf dem Gebiet tätig ist, weiß, dass Menschen mit diesem Migrationshintergrund vor allem aufgrund der traumatischen Erlebnisse in der Kindheit und der erlebten Ausgrenzung besonders anfällig sind für Radikalisierung. Viele Tschetschenen haben in ihrer Kindheit nur Krieg und Unterdrückung erlebt und sehen in dem Kampf in Syrien eine Möglichkeit, es „den Russen heimzuzahlen“ für das, was sie ihren Familien angetan haben. Es ist kein Wunder, dass der Großteil der aus Österreich nach Syrien ausgereisten Kämpfer, tschetschenischer Abstammung sind. Das sind Menschen, mit einer ganz spezifischen Geschichte.

Dessen ist sich die Studie bewusst, denn dort heißt es: „Die befragten Personen stammen aus einer sozial schwächeren Schicht, was als zusätzlicher Faktor in den Diskriminierungserfahrungen und Radikalisierungsprozessen eine Rolle spielt.“ (S. 19).

In der Summe ist also die Rede von einer Menschengruppe, die sich in einer ganz besonderen Lebenslage befindet. Menschen, die aufgrund vergangener Entscheidungen und ihrer radikalen Gesinnung so weit gegangen sind, dass sie verurteilt wurden. Menschen, die aufgrund traumatischer Erlebnisse besonders anfällig sind für diese Ideologie sind. Menschen, die aus einer prekären sozialen Schicht stammen und Menschen, die Diskriminierungserfahrungen gemacht haben.

Ausgehend von den Interviews mit diesen Menschen schlussfolgert Aslan, entgegen allen bisherigen Studien, es sei nicht richtig, dass radikalisierte Menschen, über geringe Kenntnisse über ihre Religion verfügen. Betrachtet man die anderen Schlussfolgerungen, die in der Studie präsentiert werden – etwa dass die Befragten aus einem gläubigem Elternhaus kommen oder dass sie ihr Wissen aus klassisch islamischen Texten beziehen – so wird klar, dass der Studienautor darauf abzielt, dem Islam eine gewichtige Rolle bei der Radikalisierung beizumessen.

Alles in allem ist völlig unverständlich, wie von einer derart beschränkten, nicht repräsentativen und spezifischen Stichprobe (befragte Menschen) die sehr allgemein gehaltene Forschungsfrage beantwortet werden kann, die da lautet: „Wie stellen sich Radikalisierungsprozesse bei Individuen dar und welche Rolle spielt die Religion in diesen Prozessen?“ (S. 84).

Leserkommentare

Manuel sagt:
Abu Bakr al-Baghdadi ist studierter islamischer Theologie, soviel dazu!
03.08.17
19:01
Ute Fabel sagt:
Koran und Bibel sind vollgestopft mit intoleranten Textstellen und getragen von einem alleinigen Wahrheitsanspruch. Viele Moslems und Christen wissen zum Glück über den genauen Inhalt der angeblich heiligen Schriften gar nicht so genau Bescheid und besuchen Kirchen und Moscheen eher aus geselligen oder meditativen Gründen. Sie leben eine durch aufgeklärtes Gedankengut stark gezähmte und verwässerte Religion. Liest nun jemand diese Quelltexte und nimmt sie wirklich ernst und lebt genau danach, ist das höchst problematisch. BIBEL: Markus 16:16: Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden. Johannes 14:6: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich KORAN: Sure 9:28 “O die ihr glaubt! wahrlich, die Götzendiener sind unrein.” Sure 98:6 “Die Ungläubigen unter den Leuten des Buches (Juden und Christen): Sie sind von allen Wesen am abscheulichsten”. Sure 8,55: “Siehe, schlimmer als das VIEH sind bei Allah die Ungläubigen, die nicht glauben.”
04.08.17
7:43
Simon Stylos sagt:
@Ute Fabel: Es ist immer wieder lustig, wenn angeblich aufgeklärte Zeigenossen/-innen dieselben Argumente benutzen wie christliche und / oder muslimische Fundamentalisten oder Pegida-Aktivisten. Dabei machen sie sich nicht - wie jede/r Student/in der Theologie - die Mühe, sich die Sprachen der jeweiligen heiligen Schriften anzueignen und die Auslegungshermeneutiken zu lernen, die übrigens auch in anderen - profanen - Wissenschaften, wie z.B. Geschichte, anerkannt und angewendet werden.
04.08.17
11:41
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Problematisch ist, wenn man sich aus heiligen Schriften einfach wahllos irgendwelche Stellen rauspickt, die einem in den Kram passen, ohne den Kontext zu kennen. Das ist dann Koran-Exegese a la IS und Bibel-Exegese a la Papst Urban II. (Der rief den Ersten Kreuzzug aus).
04.08.17
14:02
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch, Simon Stylos: Die christliche und islamische Religion bergen in ihrem Quellen schon ethisch höchst Fragwürdiges. Das sollten sich die Anhänger dieser Religionen endlich einmal eingestehen anstatt immer nur schönzureden. Selbsterkenntnis und nicht Leugnung ist der erste Schritt zur Besserung! In welchem historischen Zusammenhang und Kontext sollen denn die von mir oben zitierten Wertehaltungen aus Bibel und ein positives Leitbild sein?
04.08.17
15:30
Malcom Z sagt:
@ute Du bist langweilig, das kann jeder, einfach stellen zu zitieren ohne den bezug zu haben. Das ist dreist und gezielt wie die studie von eslan. Der adnan hat sich auch sehr radikalisiert, vor 10 jahren war er anders, ich habe ihn nach wien begleitet im pkw. Aber heute nach 10 jahren ist es radikal verändert. Die Frage ist, was passiert mit diesen angeblichen islam kritikern, das würde ich gerne wissen wollen. Wieso heben sie so ab, und was bezwecken sie. Gestern war er ein khomeini symphatisant, wollte eine islamische grundschule in stuttgart aufbauen, und heute?
04.08.17
15:49
Kritika sagt:
At Herrn Simon Stylos, (der eine Lanze bricht für seriöse Theologie und aufgeklärte Zeitgenossen) und die anderen Debatteure und Leser: Aufgeklärte Zeitgenossen halten von Heilige Schriften und ihre Religion ebensoviel wie aufgeklärte Chemiker von Alchemie halten oder wie aufgeklärte Astronomen von Astrologie halten oder wie aufgeklärte Pharmazeuten von Höomeopatie halten. Theologen sollten dem Worte nach GottesKenner sein aber - im Gegensatz zu den oben genannten Chemikern, Astromomen, Pharmazeuten, ist der Gegenstand ihres Wissens und Forschens mit erdrückend hoher Sicherheit gar nicht existent. Es bleibt eine Hypothese, die niemals eine auch noch so schwache Bestätigung gefunden hätte; dies würde in jeder seriösen Wissenschafft das Ende der Hypothese bedeuten. Das einfache Volk ist inzwischen aufgeklärter denn die Gotterkenner: die Kirchen bleiben leer, der Priesterberuf stirbt aus, die Kirchensteuer bricht ein. Nur die Gotteskenner, sie machen unverdrossen weiter, überwiegend am Leben gehalten zu Lasten der aufgeklärten ReligionsFreien Steuerzahler. Grüss' Gott, Kritika.
05.08.17
19:12
Kritika sagt:
L.S. Es ist ein Unding, zu behaupten, (zB Herr Simon Stylos) die wahre Botschaft eines Koran Verses könne nur von demjenigen korrekt verstanden werden, der ein Uni-Islam-Studium absolviert hat und sich ausserdem mit der antiken Arabischen Sprache bestens auskennt. Die obige Studie bestätigt dagegen gründliche KoranKenntnis bei den DjihadKämpfern ausdrücklich. Beispiel: Sure 9, 29] Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und an den Jüngsten Tag glauben, und die das nicht für verboten erklären, was Allah und Sein Gesandter für verboten erklärt haben, und die nicht dem wahren Glauben folgen - - -(Kritika ist demnach eine der Ziel-Personen gegen der jeder braver gläubiger Mohammedaner zu kämpfen hat.) Frau Ute Fabel kennt noch viel mehr ähnlich verwerfliche Verse. Der brave, vielleicht einfältige, tapferer Mohammedanischer DjihadKämpfer von Hamburg kannte sicher Sure 9:29 und tat was ihm seine MuslimReligion aufträgt: er kämpfte gegen die in 9:29 genannten Personen. Er nam den Koran wörtlich - was sonnst. Derartiges ist bereits viel zu oft in Europa geschehen und viele Menschen würden noch leben, wenn es den Islam nur nicht gebe. Solange der Koran derart blutrünstige Verse enthält, werden Anschläge auf Ungläubige nicht aufhören. Da mögen Islamologen wie Abu Bakr al-Baghdadi noch so eifrich versuchen, die weg zu interpretieren. Vielleicht kann uns Islamiq einmal darüber berichten, ob die Freie Islamische Moschee, wie in Berlin neulings eröffnet, in Freiburg geplant, dieses Dilemma lösen könnte? Kritika meint: ohne Islam wäre die Welt wesentlich friedlicher. Gruss. Kritika
05.08.17
23:33
Ute Fabel sagt:
@ Malcom Z "Du bist langweilig, das kann jeder, einfach stellen zu zitieren ohne den Bezug zu haben. Das ist dreist" Dreist ist es in Wahrheit, immer zu behaupten, der Islam sei eine Religion des Friedens und das Christentum eine Religion der Liebe, sowie dann diejenigen zu beschimpfen, die Textstellen zitieren, die dieses weichgezeichnete Bild in Wanken bringen.
08.08.17
8:56
Mads sagt:
@Malcolm Z: Ute Fabel macht doch nichts anderes, als die Muslime auch. Der Islamische Staat zitiert doch zur Untermauerung seiner Schreckenstaten eben diese Koranstellen. Islamkritiker heben nicht ab, sondern sehen, was Muslime in der Welt anrichten mit ihren Terrorakten und brutalen Regimen. Wie kann ein Mensch anders, als sich kritisch gegen diese Ideologie stellen? Eine Studie wird nicht dadurch falsch, dass Muslime sie diffamieren und den Wissenschaftler dämonisieren. Wer mit offenen Augen durch unsere Städte geht, kann das sehr gut erkennen. Wir können nicht länger Schweigen zu den Greueltaten der Muslime, sondern müssen unsere Stimme dagegen erheben.
08.08.17
12:36
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