Verwaltungsgericht Osnabrück

Kein Schadensersatz für muslimische Lehrerin

Im Streit um das Tragen eines Kopftuches ist eine muslimische Lehrerin mit ihrer Klage auf Entschädigung gescheitert. Das Verwaltungsgericht Osnabrück wies die Klage ab.

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01
2017
Kopftuch Muslimin
Symbolbild: Muslimische Frau mit Kopftuch © by Hernán Piñera auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat die Klage einer muslimischen Lehrerin wegen religiöser Diskriminierung abgewiesen. Ein Anspruch auf Entschädigung bestehe nicht, urteilte das Gericht am Mittwoch in Osnabrück. Die Lehrerin sah sich aus religiösen Gründen diskriminiert, weil die Schulbehörde eine 2013 erteilte Einstellungszusage in den öffentlichen Schuldienst zurückgenommen hatte, nachdem bekannt geworden war, dass die Frau im Unterricht ein Kopftuch tragen wollte.

Das Gericht führte aus, ein Anspruch auf Entschädigung besteht schon deshalb nicht, weil die Schulbehörde die Frau nicht „wegen ihrer Religion“ benachteiligt habe. Vielmehr habe sie sich auf gesetzliche Grundlagen im Niedersächsischen Schulgesetz berufen. Danach würden Bewerber insofern gleich behandelt, als ihnen das Tragen aller religiösen und weltanschaulichen Symbole verboten werde. An alle werde dieselbe Neutralitätspflicht gestellt, so das Gericht.

Aber auch für den Fall, dass eine religiöse Benachteiligung vorgelegen hätte, wäre diese laut Urteil gerechtfertigt gewesen. Für die Beurteilung sei nämlich die 2013 geltende Rechtsgrundlage ausschlaggebend, das zu diesem Zeitpunkt der Einstellungszusage zurückgenommen worden sei. Damals sei die Rechtsprechung eines Bundesverfassungsgerichtsurteils (BVerfG) aus dem Jahr 2003 maßgeblich gewesen, wonach für ein Kopftuchverbot „nur“ ein hinreichend bestimmtes Gesetz gefordert sei. Eine neuere Entscheidungen des BVerfG von 2015, die für ein Kopftuchverbot zusätzlich eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden und die Neutralität verlange, habe es 2013 noch nicht gegeben.

Die Klägerin hatte sich zur Begründung ihres Anspruchs auf Entschädigung auf die 2015 geänderte Rechtsprechung berufen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann beim Lüneburger Oberverwaltungsgericht angefochten werden. (Az. 3 A 24/16) (KNA, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Dieses Erkenntnis ist juristisch einwandfrei! In § 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ist "Diskriminierung folgendermaßen definiert: Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes (Religion oder Weltanschauung) eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde Wenn die Schulbehörde konsequent keine religiösen und weltanschaulichen sichbaren Zeichen zulässt, wird eine Kopftuchträgerin gegenüber niemandem benachteiligt. Es gibt zwar ein Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsausübung, allerdings bezieht sich diese ebenso wie der Schutz der sexuellen Orientierung auf Aktivitäten im Privatleben und nicht am Arbeitsplatz.
19.01.17
12:14
Johannes Disch sagt:
Das Urteil ist folgerichtig, da die Entscheidung der Schule auf der Rechtslage von 2013 basierte. Heute wäre so eine Entscheidung nicht mehr möglich, da das Bundesverfassungsgericht ein pauschales Kopftuchverbot an Schulen 2015 für verfassungswidrig erklärt hat. -- "Es gibt ein Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsausübung,...allerdings bezieht sich diese auf Aktivitäten im Privatleben und nicht am Arbeitsplatz." (Ute Fabel) Das ist falsch, wie bereits wiederholt dargelegt. Unsere Rechtsordnung lässt auch im öffentlichen Raum Platz für Religion, und zum öffentlichen Raum zählt auch der Arbeitsplatz. Kopftuchverbote am Arbeitsplatz sind die Ausnahme und nicht die Regel. Ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz ist nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich. Und in der Praxis schafft sich ein Unternehmen damit mitunter mehr Probleme als es löst. Das religiöse Bekenntnis muss konkret zu einer Störung des Betriebsfriedens führen. Das ist in jedem konkreten Einzelfall nachzuweisen. Nur dann ist ein Verbot zulässig. In der Realität ist das Kopftuch-Problem marginal und umgekehrt proportional zu dem medialen Hype, der aus Einzelfällen gemacht wird. Den meisten Arbeitgebern ist wichtiger, was eine muslimische Arbeitnehmerin im Kopf hat als was sie auf dem Kopf trägt. Deshalb ist es muslimischen Arbeitnehmerinnen in der Praxis in den meisten Betrieben auch problemlos möglich, ein Kopftuch zu tragen.
20.01.17
17:44
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Sie vertreten eine klar bevorzugende Sichtweise, was das Recht auf Sichtbarmachen von religiösen Überzeugungen am Arbeitsplatz betrifft. Sie haben hingegen eine offen diskriminierende Haltung gegenüber Menschen mit nicht religiösen, politischen Weltanschauungen, denen sie dieses Recht auf Sichtbarmachen ihrer Gesinnung offenbar nicht einräumen wollten. Nach Art 21 Europäische Grundrechtecharta sind jedoch Religionen, Weltanschauungen, politische oder sonstiger Anschauungen absolut gleich zu behandeln. Wenn das Kopftuch zugelassen wird, müssen Betriebe auch politische Symbole, wie das Tragen von Parteiabzeichen akzeptieren. Ich halte das allerdings für den falschen Weg. Ein konsequentes religiöses, politisches, weltanschauliches und philosophisches Neutralitätsprinzip halte ich für die mit Abstand sinnvollste diskrimierungsfreie Unternehmnsphilosophie.
23.01.17
7:59
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Eine politische Meinung ist keine Weltanschauung im Sinne des AGG. Der EuGH steht nicht über den nationalen Verfassungen. Wir haben keine europäische Verfassung haben. Ohne das ganze jetzt in ein juristisches Seminar ausarten zu lassen: Das Verhältnis zwischen den nationalen obersten Gerichten und dem EuGH ist kein über-oder untergeordnetes Verhältnis, sondern ein kooperatives. Der EuGH berücksichtigt bei seinen Entscheidungen die rechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen europäischen Ländern. Und die sind nun einmal sehr unterschiedlich. So sieht die Sache im laizistischen Frankreich anders aus als etwa im säkularen Deutschland. So hat der EuGH in seinen beiden Gutachten-- die zu unterschiedlichen Schlüßen kommen-- klar gesagt, ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz KANN unter bestimmten Umständen zulässig sein. KANN und NICHT "muss" oder "ist" zulässig. Das Verbot muss außerdem sachlich begründet sein und darf nicht auf Vorurteilen gegenüber einer Religion beruhen. Jede Pauschalierung hinsichtlich des Kopftuchverbotes am Arbeitsplatz führt in die Irre, da die Dinge immer am konkreten Einzelfall entschieden werden. Und dabei werden die speziellen rechtlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Nationalstaates mit einbezogen.
24.01.17
14:53
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Selbstverständlich ist die politische Meinung eine Weltanschauung im Sinne des AGG! Das ergibt sich klar aus dem von mir bereits mehrfacht zitierten Artikel 21 Europäische Grundrechtecharta.Was ist für Sie sonst eine Weltanschauung? Innerstaatliche Normen sind immer unionsrechtskonform auszulegen. Sichbare politische Zeichen (Parteiabzeichen, Che Guevara Shirts, Burschenschafterkappen, Mustafa-Kemal-Atatürk-Hüte) sind in Betrieben gleich zu behandeln wie sichbare Zeichen das Glauben oder Unglaubens (Kopftuch, Salafistenbärte, Kreuzkette, Kippa, Kirpan, "Gottlos Glücklich Anstecker"). Entweder wird alles zugelassen oder gar nichts. Anderenfalls verstößt ein Unternehmen sowohl gegen die EU-Grundrechtecharta (durch welche Individualrechte von EU-Bürgern begründet werden) als auch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), weil es sich diskriminierend verhält.
25.01.17
7:56
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Schauen Sie ins AGG. Da ist eindeutig definiert, was eine Weltanschauung ist und was nicht.
25.01.17
21:01
Johannes Disch sagt:
@Religion und Weltanschauung im Sinne des AGG Die deutsche Rechtsprechung versteht unter Religion und Weltanschauung eine mit der Person des Individuums verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen und zur Herkunft und Ziel des Lebens. Es geht bei dem Begriff "Weltanschauung" im Sinne der deutschen Rechtsprechung also ausschließlich um transzendentale Fragen. Politische Meinungen sind keine Weltanschauung im Sinne des AGG.
25.01.17
21:14
all-are-equal sagt:
@ Hr. Disch: Beim Begriff "Religion" geht es um transzendentale Frage, beim Begriff "Weltanschauung" eben gerade nicht: "Re­li­gi­on" im Sin­ne des AGG be­zeich­net Glau­bens­vor­stel­lun­gen, die sich auf ein Jen­seits be­zie­hen, d.h. auf ei­ne den Men­schen über­stei­gen­de Wirk­lich­keit. Dem­ge­genüber sind mit „Welt­an­schau­ung“ Über­zeu­gun­gen über die Stel­lung des Men­schen in der Welt ge­meint. Sie müssen nach herr­schen­der Mei­nung ähn­lich grund­le­gend und um­fas­send wie re­li­giöse Vor­stel­lun­gen sein (nur dass sie im Un­ter­schied zu ei­ner Re­li­gi­on ei­ne dies­sei­ti­ge Welt­deu­tung ent­hal­ten). Bloße po­li­ti­sche Mei­nun­gen zu Einzelthemen, wie z.B. dem Fremdenrecht sind noch kei­ne Welt­an­schau­ung. Das Bekenntnis zu einer Ideologie, wie dem Marxismus, allerdings schon. Die Frage, die mal gestellt werden müsste, ist ob die Meinung zu einem Kleidungsstück nicht doch auch eine bloße Meinung zu einem Einzelthema ist und damit dem Religionsbegriff des AGG überhaupt unterfällt.
07.03.17
12:02