Köstlicher Orient

Esskultur in muslimischen Gesellschaften

Falafel, Hummus und Döner, Couscous, Dolma und Marzipan die Köstlichkeiten des Orients haben längst auf unserem Speiseplan ihren Platz erhalten. In seinem Buch über die orientalische Esskultur erinnert Peter Heine, was die islamische Welt kulinarisch zu bieten hat.

04
12
2016
Symbolbild: kulinarische Küche © Mohammad Bassrawi auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

Seit mehr als 30 Jahren interessiere ich mich für die Geschichte von Essen und Trinken in muslimischen Gesellschaften. Anlass war mein Studium des Arabischen in Baghdad 1966/7. Als Student hat man aber nicht immer das Geld, um alle Spezialitäten einer kulinarischen Kultur auszuprobieren. Das war dann 1973 in Beirut schon etwas anderes. Das erste anspruchsvolle Restaurant dort war das al-Ajami, an das meine Frau und ich uns noch heute erinnern. Im Jahr 1988 erschien mein erstes Buch zu dieser Thematik. Es war eine wissenschaftliche Arbeit mit ca 600 Anmerkungen.

Im Jahr 2008 konnte ich dann in den USA ein weiteres Buch zur Kulturgeschichte von Essen und Trinken veröffentlichen. Auch dieses Buch hatte einen wissenschaftlichen Anspruch. Es fehlte aber ein Buch, das sich an ein breites Publikum wendet. Dies empfand ich als wichtig, weil das Wissen und die Kenntnis des Islam und der Kultur der Muslime in Deutschland immer noch sehr gering und häufig auch einseitig und vorurteilsbelastet ist. Ich wollte ein Buch schreiben, das wenigstens einen Aspekt der angenehmen Seiten des Lebens von Muslimen und den Einfluss ihrer Küchen auf die europäischen Speisetraditionen zeigt.

Peter Heine studierte von 1965 bis 1971 Islamwissenschaft, Philosophie und Ethnologie in Münster und Bagdad. Bis 2009 war er Professor für Islamwissenschaft des nicht-arabischen Raumes an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Ziel: Kulinarische Geschichte der Muslime zeigen

Über lange Zeit habe ich arabische, persische und türkische Kochbücher in den Originalsprachen und in Übersetzungen gesammelt. Auf internationalen Konferenzen zur kulinarischen Kultur konnte ich muslimische und nicht-muslimische Kulturhistoriker und ihre Arbeiten kennenlernen und so mein eigenes Wissen erweitern. Durch Reisen von Marokko bis in den Iran und Afghanistan konnte ich die verschiedenen Küchen der islamischen Welt kennenlernen. So entstand der Wunsch, ein Buch für ein großes deutsches Publikum zu schreiben. Mit dem Wagenbach-Verlag in Berlin fand ich einen wunderbaren Partner. Wir waren uns einig, dass das Buch von der Aufmachung etwas Besonderes sein sollte. Wir wollten keinen Bildband machen, aber doch ein Buch, das von seiner ganzen Aufmachung, der Qualität des Papiers, des Druck, der Bindung und der graphischen Gestaltung dem Inhalt entspricht. Ich glaube, dass dieses Ziel in wunderbarer Weise erreicht wurde.

Ich verfolge mit dem Buch ein allgemeines und ein spezielles Ziel. Im Grundsätzlichen geht es mir darum, deutschen Lesern an einem besonderen Beispiel deutlich zu machen, dass die Kultur der Muslime in ihrer Gesamtheit sehr reich ist. Dann soll es aber im Besonderen darum gehen, die kulinarische Geschichte und ihre verschiedenen Aspekte bis in die Gegenwart zu beschreiben und zu erklären. Dazu habe ich nicht nur Kochbücher und wissenschaftliche Literatur ausgewertet, sondern auch Zeitungs- und Zeitschriftenberichte, allgemein zugängliches Bildmaterial, eigene Fotos von Reisen und Interviews, die ich mit anderen Spezialisten und mit Kennern der verschiedenen Küchen geführt habe.

Peter Heine
Köstlicher Orient: Eine Geschichte der Esskultur.
ISBN: 978-3803136619
Wagenbach Verlag
2016

Köstliche Speisen für eine Vollkommenheit

Das Buch besteht aus acht Kapiteln. Es beginnt mit den religiösen Aspekten von Essen und Trinken. Dabei weise ich darauf hin, dass die Haltung des Islams zu Essen und Trinken sehr viel offener und positiver ist, als das beispielsweise im Christentum der Fall ist. Schließlich weist der Koran an verschiedenen Stellen darauf hin, dass köstliche Speisen ein Beleg für die Vollkommenheit der Schöpfung ist. Natürlich gehe ich auch auf die Speiseverbote ein, die aber sehr viel knapper sind als zum Beispiel in der Thora der Juden. Ein anderes Thema in diesem Zusammenhang ist natürlich auch die muslimische Fastenpraxis, die sich von der der Christen unterscheidet. Und schließlich gehört in diesen Zusammenhang auch die Gastlichkeit, die in allen muslimischen Gesellschaften bis heute von überragender Bedeutung ist. In einem weiteren Abschnitt beschreibe ich die Entwicklung der Kochkunst im islamischen Mittelalter von der Küche der Zeit der Omayyaden zu der der Abbasiden. In der Omayyadenzeit in Syrien spielte die Quantität der Gerichte eine größere Rolle als die Qualität. Das war unter der Herrschaft der Abbasiden in Baghdad etwas anderes. Dort legte man großen Wert auf besonders gutes Essen. Für viele Vornehme, ja sogar für die Prinzen und den Kalifen selbst war es ein Vergnügen, mit selbst gekochten Gerichten die Gäste zu bewirten. Natürlich gehe ich in diesem Zusammenhang auch auf die Küchen in anderen Regionen des mittelalterlichen Islams ein bis hin nach Indien im Osten und Andalusien im Westen.

Aus dem Orient nach Europa

Ohne Zutaten kann man nicht kochen. Es waren muslimische Händler, die seit der Zeit den frühen Islams und des islamischen Mittelalters verschiedene Gemüse und Gewürze aus Ost- und Südostasien nach Baghdad oder Kairo importiert hatten. Das belege ich an verschiedenen Beispielen wie der Aubergine, für die erste Rezepte in der Abbasidenzeit bekannt sind. Auberginen sind bei der Hochzeit der Prinzessin Buran mit dem Kalifen al-Ma´mun am 23. Dezember 825 zum ersten Mal im Abbasidenreich so zubereitet worden, dass sie den Gästen schmeckten. Zuvor wusste man noch nicht, dass man mit Salz die Bitterstoffe des Gemüses entfernen kann. Ohne die Kenntnisse und die praktische Erfahrung von muslimischen Köchen wäre die europäische Küche auf einem einfachen mittelalterlichen Niveau stehengeblieben. Dem Einfluss der Zutaten, die aus dem Orient nach Europa gelangten wird ein besonders Kapitel gewidmet. Dabei vergleiche ich auch arabische Rezepte mit denen der italienischen Renaissance-Küche, durch die erst die französische Küche zu ihrer jahrhundertelangen Bedeutung kommen konnte, die dann wieder der verschiedenen anderen europäischen Küchen inspirierte.

Der Einfluss auf die deutsche Küche

Natürlich berichte ich auch vom Einfluss der Küche der „Gastarbeiter“ aus der Türkei und der arabischen Welt auf die deutsche Küche. Dabei geht es um die Bedeutung des Döner Kebap ebenso wie um die von Falafel. Dabei weise ich auch auf die Anpassungen dieser Gerichte an einen deutschen Geschmack hin. Zum Abschluss des Buches gehe ich ein auch auf die Veränderungen der verschiedenen Küchentraditionen zwischen Marokko und Afghanistan durch den Einfluss von modernen Küchentechniken von den Konserven und Tiefkühlkost über moderne Küchenutensilien wie moderne Herde und die zahlreichen italienischen, chinesischen oder indonesischen Restaurants sowie die aus Süd- und Südostasien stammenden Haushaltshilfen vor allem in den Staaten der arabischen Halbinsel. Schließlich geht es um verschiedene Debatten um die Herkunft bekannter Gerichte wie Hommes und Falafel, die von zionistischen Theoretikern zu nationalen israelischen Gerichten erhoben wurden. Abschließend gehe ich auf die aktuellen Debatten um neue Halal-Konzepte und die ‚Green Deen‘-Bewegung in den USA ein.

Ich hoffe, dass das Buch bei deutschen nicht-muslimischen Lesern Verständnis über den kulinarischen Bereich hinaus für das Leben von Muslimen in Deutschland und in der islamischen Welt erweitert und für muslimische Leser einen Einblick in den Austausch von Kulturen ermöglicht. Bisher ist das Buch sehr freundlich aufgenommen worden. Eine Übersetzung ins Englische ist in Vorbereitung.

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Genausowenig wie das Wiener Schnitzel Ausdruck der katholischen Esskultur ist, sind Falafel, Hummus und Döner Ausdruck muslimischer Esskultur. Religionen haben aufgrund ihrer irrationalen Speiseverbote generell einen negativen Einfluss auf die Entfaltung der Esskultur. Ich liebe Döner und Gyros, letzteres ist leider in Ländern mit islamischer Dominanz nicht erhältlich.
05.12.16
8:01
Charley sagt:
Es ist fraglos, dass die subtile hohe Qualität der orientalisch Kultur, auch zusammen mit ihrer weltzugewandten Genusskultur etwas war, worüber das mittelalterlich, mystisch welverachtende Europa nur staunen konnte. Mancher Ritter lebte deshalb nur zu gern im Morgenland weiter. Wichtig vermutlich ist auch das milde Mittelmeerklima, das eine andere Palette v Nahrungsmittel erschloss. Der Islam selbst adaptierte viele kulturelle Aspekte der unterworfenen Völker (Indien).
07.12.16
14:21