Schreckensnachrichten in den Medien

Terrornachrichten: Muslimische Kinder sind überfordert

Die letzten Wochen waren geprägt von Nachrichten über Terror und Tod. Auch Kinder sind dieser medialen Informationsflut ausgesetzt. Der Pädagoge Umut Ali Öksüz schreibt, wie man sie davor schützen kann und wieso Kinder auch in der Schule darüber sprechen sollten.

30
07
2016
Symbolbild: Muslimische Kinder in Schulen. © flickr/CC 2.0/Maria Grazia Montagnari
Symbolbild: Muslimische Kinder in Schulen. © flickr/CC 2.0/Maria Grazia Montagnari

In Zeiten der sozialen Medien haben Kinder und Jugendliche Zugang zu allen Inhalten, auf die sie zugreifen können oder mit denen sie konfrontiert werden. Ob Köln, Nizza oder Ankara, die Heranwachsenden stehen in einem Kreuzfeuer voller Hass, Emotionen, Verdächtigungen, Vorurteilen und müssen Frage und Antwort stehen. Sie stellen Andere und sich selbst in Frage. Hierbei müssen verschiedene Perspektiven eingenommen werden.

Der Islam wird gerne für solche Schandtaten instrumentalisiert, das ist auch in der Schulpraxis erfolgreich etabliert. Auf der einen Seite stehen die Jugendlichen mit muslimischem Kontext, die solche Taten verurteilen und sich selbst und ihren Glauben rechtfertigen müssen. Und auf der anderen Seite stehen Jugendliche, die den Islam durch die Medien kennen und in den meisten Fällen, unaufgeklärte Inhalte weiter nach außen tragen. „Wegen den Muslimen gibt es nur Krieg, schämst Du Dich nicht für Deine Leute?“ „Die Muslime müssen sich in Deutschland anpassen, wenn sie mit uns in Frieden leben wollen. Aber das gilt nicht für Dich und Deine Familie.“ Manchmal stellt man sich die Frage, was man den Kindern zusätzlich zuhause vortäuscht.

Das Problem offen und gemeinsam ansprechen

Bevor es zu solchen Diskussionen kommt, sollten Pädagogen und alle Fachkräfte in der Praxis von sich aus dieses Thema offen mit allen SchülerInnen gemeinsam ansprechen. Wichtig hierbei ist nicht, seine Unschuld zu beweisen. Es geht viel mehr darum, dass den Kindern klar gemacht wird, dass der Terror für keine Religion oder Herkunft agiert, sondern dass es einzelne Menschen oder Gruppierungen sind, die es aus krankheitsbedingten Interessen ausüben. Und diese sind ganz klar in der Minderheit und dürfen nicht pauschalisiert werden. Die Jugendlichen freuen sich, wenn man dieses Thema auch in den Schulunterricht integriert. Der Lehrplan ist natürlich unverzichtbar, aber über Inhalte könnte man noch eine gesonderte Debatte führen. Das Wohlbefinden junger Menschen und die Stärkung der Harmonie untereinander, sollten kompetente Multiplikatoren einschätzen können.

Wie Montessori schon sagte: Nicht das Kind muss sich seinem Umfeld anpassen! Ignoranz hilft keinem! Die Heranwachsenden mit den medialen Informationsquellen alleine zu lassen und sie aufeinander „loslassen“ hat nichts mit selbstständiger Konfliktlösung zu tun. Kommunikation ist der einzige Weg, um Vorurteile abzubauen und einen gemeinsamen Weg und das nur in Kooperation zu finden! Langjährige Freundschaften und Bindungen sollten nicht durch solche kriminellen Machenschaften, die Entwicklung von Jugendlichen beeinträchtigen.

Muslimische Kinder sind überfordert

Die „beschuldigten“ Schüler sind meistens mit der Situation überfordert. Sie müssen sich für etwas oder jemanden rechtfertigen, über den sie gar nichts wissen, außer dass er ein Mörder ist. Neben dem Religions- oder Ethikunterricht müssen SchulleiterInnen sowie das Ministerium an eine Art „Aktuelle Themenstunde“ oder „Schülerparlamentsstunde“ nachdenken und diese in die Lehrpläne implizieren.

Die SchülerInnen, die mit solchen Stunden in der Praxis konfrontiert werden, fühlen sich wohler und besser verstanden. Ängste und Hemmungen werden dadurch genommen und diese sollten auch einen festen Platz in einer festen Gesellschaft haben. Neben der Schule ist die Aufklärungsarbeit in Bildungseinrichtungen, Moscheen oder anderen außerschulischen Lernorten entscheidend.

Die islamischen Religionsgemeinschaften leisten diesbezüglich seit Jahren positive Arbeit. Sie engagieren sich überwiegend ehrenamtlich für die Heranwachsenden, müssen nur an pädagogischen und sprachlichen Defiziten aufbauen. Sie haben außerdem die Möglichkeit, sich mit den Schulen auszutauschen, da der islamische Religionsunterricht an den Schulen immer präsenter wird. Dies kann gemeinsam mit den Moscheen Hand in Hand noch viel erfolgreicher werden.

Zusammenarbeit zwischen Moschee und Schule

Viele Jugendliche klagen darüber, dass sie die Imame oft nicht verstehen, da sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Solche Hemmnisse dürfen keine Steine in den Weg stellen. Jugend- und Sozialeinrichtungen haben großen Anlauf an Kindern und Jugendlichen. Auch hier der Appell: Überlasst nicht den Medien oder den Fundamentalisten den Raum für ihre „Aufklärung“, agiert mit AGs oder Projektwochen. Ebenso ist eine funktionierende Elternarbeit sehr wichtig. Denn auch sie spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Eltern sind dankbar für jede Hilfe. Genauso ist hier ist eine direkte Aufklärung mit aktuellen Themen, in Form von Elternseminaren sehr wichtig und prägend.

Instrumentalisiert nicht eure Kinder!

Leider sind auch viele Eltern überfordert, wenn sie mit diversen Fragen ihrer Kinder konfrontiert werden. Die momentane Lage zwischen den Deutschtürken in Deutschland lässt viele Jugendliche aufschrecken. Sie verstehen nicht, was momentan für politische Machtkämpfe verursachen und hängen gleichzeitig in einer Identitätsstörung. Entweder sind sie für oder gegen jemanden. Doch wieso? Wieso ist es unseren Kindern und Jugendlichen nicht erlaubt, für oder gegen beides zu sein? Die Rede ist nicht von Ländern, sondern von einzelnen Persönlichkeiten.

Lasst die Kinder doch selbst entscheiden, aber instrumentalisiert sie nicht. Die meisten türkischstämmigen Menschen sind Fans von politischen oder ideologischen Interessen. Das steht auch jedem frei. Doch sollten Kinder und Jugendliche die Chance bekommen, für sich selbst zu entscheiden. Wenn Eltern und Freunde nach politischen oder ideologischen Interessen kategorisieren, passiert genau das, was momentan in Deutschland aktuell ist: Jeder kocht seine eigene Suppe in seiner eigenen Ethnie.

Doch wann sitzen endlich verschiedene Gruppierungen an einem Tisch und trinken ihren Tee zusammen? Wann leben sie den Kindern und Jugendlichen vor, dass ein friedliches Zusammenleben, der beste Weg ist für eine gesunde Zukunft? Krieg, Terror und Angst sollten unsere Gesellschaft nicht spalten – Offenheit, Toleranz und Respekt müssen wir auch unseren Kindern vorleben, damit nicht nur die Gesellschaft an einer Identitätsstörung schuldig gemacht wird, denn dazu gehören mehr Faktoren und die Betrachtung beider Seiten einer Medaille!

Hinzukommt, dass diese Hetze aktuell in Deutschland auch noch religiös verpackt wird. Da fragt man sich wirklich, welche Religion diese Hetze überhaupt unterstützt. Sind wir nicht alle Gottes Geschöpfe? Egal welcher Religion oder Herkunft, wir sind doch alle Menschen, reicht das nicht als Grund für ein friedliches Zusammenleben? Müssen wir in der heutigen Zeit eine Generation voller Hass großziehen?

Leserkommentare

Manuel sagt:
Am wichtigens ist es Kinder zu kritischen Menschen zu erziehen und sie nicht mit religiösen Dogmen vollzustopfen, was gerne im Islam praktiziert wird.
02.08.16
11:47
Frank sagt:
Dummerweise gibt es für die Anhänger des türkischen Präsidenten nur zwei Kategorien Menschen. Entweder man ist für Erdogan oder man ist gegen ihn. Ist man gegen ihn, und sei es auch nur in einzelnen Punkten, gilt man als Staatsfeind, den es zu bekämpfen gilt. Ist Kampf nicht möglich, wird er eben ausgegrenzt. Mit der Kommunikation ist es in solch einer Situation schwierig. Da fragt einen ein Türke, was man von den jüngsten Ereignissen hält. Man antwortet ihm, dass man den Putsch ablehne, aber die Verhaftungswut ebenfalls. Schon ist der Türke beleidigt, weil man ja seinen Präsidenten und damit auch ihn und natürlich das ganze türkische Volk beleidigt hat. Mit einer derartigen Kommunikation kann man wohl kaum Vorurteile abbauen.
02.08.16
16:29
Enail sagt:
Mein Enkel hat seit vergangenem Jahr eine syrische Klassenkameradin, 3. Klasse. Ins Tagebuch der Klasse schrieb sie vor ein paar Wochen, das mein Enkel mit nach Hause brachte: In Deutschland ist es schön, ich habe schon Freunde, ich kann auch schon gut schreiben und reden. Jetzt ist eine arabische Familie da, das ist nicht schön. Was wird hier importiert? Und das sind nicht die Aussagen einer neunjährigen, das ist die Aussage der Eltern, die sie zuhause gehört hat.
02.08.16
23:34
Ute Fabel sagt:
Ich halte den Begriff "muslimische Kinder" für unangebracht, man sollte schreiben, "Kinder von muslimischen Eltern". Der Begriff "muslimische Kinder" bringt für mich zu Ausdruck, dass viele im Islam (und auch in anderen Religionsgemeinschaften) von der Religionsfreiheit nicht viel halten sondern Religion als etwas betrachtet wird, in das man hineingeboren wird. Wäre es nicht auch etwas komisch, wenn man von "sozialdemokratischen, liberalen oder grünen Kindern" sprechen würde, nur weil die Eltern SPD, FDP oder Die Grünen wählen?
04.08.16
7:55
Andreas sagt:
@Ute Fabel: Es gibt andere unangebrachte, die viel gefährlicher sind, als "muslimische Kinder". Vor allem zu nennen wäre hier der "Islamismus", den man dann gerne mal mit dem Islam verwechselt und dann Muslime als Islamisten bezeichnet, um sie diskriminieren zu können.
04.08.16
11:47
Chris sagt:
MEDIEN SIND SEHR GEFÄHRLICH UND KÖNNEN LEUTE STARK BEEINFLUSSEN ich weiss noch wie nach 911 alle kinder in unserer Klasse auf einmal gegen Muslime waren oder gegen muslimische Kinder die nix mit dem Islam am Hut hatten Das ist alles gewollt und provokant und wenn DEMAZEIRE sagt NICHT UNTER GENERALVERDACHT STELLEN dann bedeutet es wohl das Gegenteil leider
05.08.16
15:12
nochSoEine sagt:
Auch wenn meine "Vorkommentatoren" das nicht glauben wollen. Es ist ein Problem, für die muslimischen Kinder (oder Kinder muslimischer Eltern, wenn es Frau Fabel so will), mit was sie in der Schule nach solchen Attentaten konfrontiert werden. So hat z.B. die Grundschullehrerin meiner Tochter es hingekriegt, am ersten Tag nach den Paris-Attentaten (es war ein Montag) die erste Stunde gleich dem Thema zu widmen. Noch bevor offiziell bekannt gegeben wurde, wer die Attentäter waren, hatte die Lehreren ihre Schwarz-Weiß-Sicht der Dinge dargelegt und den Kindern erklärt, dass es "Muslime aus Syrien" waren. Und dass sie es übrigens getan haben, weil sie nicht mögen, dass jemand anders etwas anderen glaubt. Das geht sehr gut in die Köpfe von 8-jährigen rein. Die der Realität entsprechende Variante, dass es in jedem Volk, in jeder Ethnie, in jeder Religion, politischen Richtung usw. Menschen gibt, die zum Extremismus neigen, gibt, wurde da nicht vermittelt. Ja, so erzieht man dann wohl in Deutschland kleine Kinder zum kritischen Denken.....
11.08.16
14:29
Manuel sagt:
@nochSoEine: Man erzieht sie vor allem zum kritischen Denken, wenn man unterbindet, dass sie mit religiösen Dogmen vollgestopft werden.
13.08.16
14:31