Gebetsraumkonflikt: Jetzt reden wir!

„Respekt, Rücksicht und Liebe“

Negative Schlagzeilen über drei muslimische Gebetsräume an deutschen Universitäten dominierten die Nachrichten. Doch wie sieht es mit anderen muslimischen Hochschulgruppen aus? IslamiQ lässt sie selbst zur Wort kommen. Heute: der Muslimische Studentenverein Karlsruhe (MSV) e. V.

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Islam meets KIT: Interreligiöse & interkulturelle Woche. © MSV e.V.

IslamiQ: Aus wie vielen Mitgliedern besteht Ihre muslimische Hochschulgruppe und seit wann besteht sie?

Mohammed Al-Dhaheri: Der Muslimische Studentenverein Karlsruhe (MSV) e. V. ist ein Forum muslimischer Studierender, der 1989 von einer Gruppe deutschstämmiger und deutschsprachiger muslimischer Studenten, sowohl als eingetragener und gemeinnütziger Verein, als auch als anerkannte Hochschulgruppe am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gegründet wurde. Wir vertreten Tausende muslimische Studentinnen und Studenten sowie Hochschultätige in den jeweiligen Hochschulen in Karlsruhe, davon mehr als 800 am Karlsruher Institut für Technologie.

Mohammed Al-Dhaheri studiert Maschinenbau am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) uns ist ehemaliger Vorsitzender des MSV. Momentan ist er als Berater des MSV-Vorstands tätig.

IslamiQ: Gibt es einen muslimischen Gebetsraum an Ihrer Universität? Wenn ja, gab es je Probleme? Wenn nein, ist ein Gebetsraum geplant?

Al-Dhaheri: Einen eigenen Gebetsraum haben wir in dieser Form nicht. Aber die Universität hat seit 2002 einen Raum der Stille zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus haben wir seit November 2014 einen Bereich in der Bibliothek im Keller, wo wir unsere täglichen Gebete verrichten können. Jedoch ist dieser Bereich nur provisorisch gestaltet. Wir führen seit einiger Zeit Gespräche mit verschieden Gremien am Karlsruher Institut für Tec

Freitagsgebet auf dem Campus. © MSV e.V.

Freitagsgebet auf dem Campus. © MSV

hnologie, um einen repräsentativen Raum zu haben.

Wir haben eine sehr gute Beziehung zur Uni-Leitung, welche sich anhand ihrer regelmäßigen Teilnehme an unseren Veranstaltungen erkennbar macht.

IslamiQ: Wie ist die Beziehung der muslimischen Hochschulgruppe zu den anderen Hochschulgruppen und nichtmuslimischen Studenten? Gibt es auch gemeinsame Organisationen?

Al-Dhaheri: Zu einem harmonischen Zusammenleben in der Gesellschaft und in der Hochschule gehört Offenheit, Toleranz und der Abbau von Vorurteilen. Um diese Punkte gewährleisten zu können ist eine regelmäßige und nachhaltige Praxis erforderlich.

Dieser geht der MSV e. V. nach, indem er sich aktiv am interreligiösen und interkulturellen Geschehen in den Hochschulen und in der Stadt beteiligt. Der MSV ist Mitveranstalter des Programms „Interreligiöser Dialog auf dem Campus“, bei welchem verschiedene Hochschulvereine gemeinsam den Dialog auf dem Campus ermöglichen und stärken wollen. Zudem beteiligt sich der MSV seit paar Jahren in Form eines öffentlichen Freitagsgebets an den „Karlsruher Wochen gegen Rassismus“.

Außerdem veranstaltet der MSV eigenständig Veranstaltungen, wie „Islam meets KIT“, um den Prozess des interreligiösen Dialogs aktiv mit zu gestalten. Diese Veranstaltungen dienen unter anderem auch dazu, Islamfeindlichkeit in der studentischen Gesellschaft vorzubeugen und die Aufklärung darüber voranzubringen.

"Der MSV setzt sich für die Etablierung einer harmonischen und toleranten Gesellschaft ein.",

„Der MSV setzt sich für die Etablierung einer harmonischen und toleranten Gesellschaft ein“, so Al-Dhaheri. © MSV

Darüber hinaus wird MSV, sowohl von der Uni als auch von anderen Hochschulgruppen als erste Anlaufstelle bzw. offizieller Ansprechpartner wahrgenommen, wenn es um Fragen über den Islam und die Muslime geht.

IslamiQ: Warum ist es wichtig, dass es muslimische Hochschulgruppen gibt und/oder einen muslimischen Gebetsraum?

Al-Dhaheri: Die Existenz von muslimischen Hochschulgruppen ist erforderlich, um die religiösen, kulturellen und studentischen Interessen und Bedürfnisse der muslimischen Studierende an den Hochschulen zu vertreten.

Ein anderer wichtiger Punkt ist auch, dass sie als Koordinator für Muslimische Studierende fungiert und als eine helfende Hand in ihrem Studierendenleben zur Seite steht. Zu diesem Zweck veranstaltet der MSV, am Anfang des Wintersemesters eine Informationsphase für muslimische Studierende in der sie mit anderen Studierenden zusammenkommen und sich über Gebetsmöglichkeiten auf dem Campus und in der Stadt, über Halal-Einkaufsmöglichkeiten und über Angebote des MSVs austauschen. Außerdem hilft der MSV den Studierenden dabei, sich in das Campusleben zu integrieren.

IslamiQ: Hatten die aktuellen Debatten um die muslimischen Gebetsräume einen Einfluss auf Ihr universitäres Miteinander?

Der Gebetsraumkonflikt startete mit der Schließung des Gebetsraumes an der TU Dortmund. Daraufhin wurden die Gebetsräume an der Universität Duisburg Essen und TU Berlin geschlossen. Vor allem die Berichterstattung über den Essener Gebetsraum sorgte für eine Debatte, da zum Teil falsche Tatsachenbehauptungen verbreitet wurden.

Al-Dhaheri: Nein.

IslamiQ: Was macht eure Hochschulgruppe aus?

Al-Dhaheri: Eine der grundlegenden Prinzipien des MSV ist es, unterschiedliche Kulturen und Religionen als Selbstverständlichkeit zu erachten und ihnen mit Offenheit und Toleranz zu begegnen.

Der MSV setzt sich für die Etablierung einer harmonischen und toleranten Gesellschaft ein. Um dieses Ziel zu erreichen, bieten wir eine Plattform für regelmäßige Treffen und den kulturellen Austausch. Dabei soll Transparenz bezüglich unserer hiesigen islamischen Lebensweise geschaffen werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für den Abbau von Ängsten, Vorurteilen   und   falschen   Wahrnehmungen.   Dieser   Austausch   ist   ferner   eine   Chance, Respekt, Rücksicht und nicht zuletzt auch Liebe zu seinen Mitmenschen zu entwickeln.

Wir wollen nicht nur Einblicke in das muslimische Leben in Deutschland ermöglichen, sondern darüber hinaus unseren Beitrag dazu leisten, das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster Herkunft in Deutschland zu fördern.

Das Interview führte Esra Lale.