Zum Islam konvertiert

„Mit Kopftuch fühle ich mich frei“

Die strengen Regeln des Christentums engten sie ein, mit Kopftuch fühlt sie sich dagegen frei. Eine junge Freiburgerin ist eine von offiziell 30 000 Menschen in Deutschland, die zum Islam wechseln.

11
04
2015

Auf einmal ist es im Wohnzimmer ganz ruhig. Zwischen verstreutem Kinderspielzeug steht eine junge Frau mit geschlossenen Augen auf einem Gebetsteppich. In einem Singsang auf Arabisch betet sie: „Allahu akbar“ – Allah ist groß. Die 30-Jährige ist in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Die blonden Haare sind jetzt mit einem blauen Kopftuch bedeckt. Denn vor acht Jahren ist die Niederländerin zum Islam konvertiert.

Mit der Bibel konnte Marjolein Khan-Kamp, die heute in Freiburg lebt, noch nie etwas anfangen. „Ich habe mich gefragt: Warum sollen alle Menschen Erbsünder sein? Und warum ist Jesus der Sohn Gottes?“, sagt die junge Frau aus Freiburg. Ihre Eltern sind streng protestantisch. Mehrere Jahre lang nahm sie sich als Jugendliche Zeit und suchte nach Antworten „beim Pfarrer und in Büchern“. Sie las auch über andere Religionen, Hinduismus und Buddhismus. Am Ende stand die Erkenntnis: „Ich kann das nicht glauben.“

Zahl der Konvertiten wird nicht erfasst

Eine muslimische Freundin habe sie immer wieder mit zu ihrer Familie genommen. „Langsam habe ich meine Vorurteile abgebaut. Ich dachte, das ist eine Religion für Ausländer und die Frauen werden unterdrückt.“ Aus Interesse las Khan-Kamp den Koran. „Gleich auf den ersten Seiten wurden meine Fragen beantwortet.“ Denn im Koran habe Gott Adam und Eva vergeben. „Es gab so viele Gemeinsamkeiten mit dem Islam und ich fragte mich: Was, wenn ich eine Muslima bin?“

Dann ging alles ganz schnell. Denn Konvertieren zum Islam ist einfach: „Man muss nur vor zwei Zeugen das Glaubensbekenntnis sprechen und schon ist man ein Muslim“, sagt sie. Das heißt, dass man an Gott glaube und das Mohammed der letzte Prophet sei, ist eine persönliche Sache.

“Keiner muss einen Religionsunterricht besuchen und sich jahrelang ausbilden lassen. Wichtig ist nur die Bereitschaft, ehrlich zu sein und Gutes zu tun“, sagt Sozialpädagoge Reza Begas. Der 33-Jährige berät im Islamischen Zentrum Freiburg ehrenamtlich rund 20 bis 30 Menschen pro Jahr, die konvertieren wollen. “Meist sind es Menschen zwischen 16 und 60“, sagt Begas. Gerade bei jungen Menschen sei die Gefahr groß, dass sie sich radikalisierten. “Zuerst leben sie einen sehr ausufernden Lebensstil, dann schlagen sie ins andere Extrem um“, sagt er.

Offiziell gibt es nach Angaben des Islamarchivs in Soest rund 30 000 Konvertiten, die von den Gemeinden gemeldet werden. „Aber die Dunkelziffer von Menschen, die zum Islam wechseln, ist viel höher“, sagt der Leiter des Archivs in Soest, Muhammad Salim Abdullah. Dass der Islamübertritt nicht erfasst wird, „ist ungewöhnlich in einem so organisierten Land wie Deutschland“, sagt er.

Vorurteile durch das Kopftuch

Khan-Kamp war schon Muslimin, bevor sie ihren pakistanischen Mann kennenlernte. Dass sie ihre Haare bedeckt, war ihre eigene Entscheidung. „Mit Kopftuch fühle ich mich frei“, sagt sie. „Als ich zum Studium nach Freiburg kam, wollte ich es ausprobieren.“ Zuerst habe sie es nur zur Probe in der Wohngemeinschaft getragen, dann auch zum Einkaufen. „Ich fand es toll, dass ich auf Partys von Männern alleine gelassen wurde. Ich wollte nur tanzen“, sagt sie.

Bei ihren Eltern stieß Khan-Kamp zunächst auf Widerstand: Zu Beginn habe sie dort kein Kopftuch tragen und auch nicht beten dürfen. Auch in ihrer neuen Heimat „ruft ein Kopftuch gleich den Verfassungsschutz auf den Plan“, behauptet die Freiburgerin. Für sie sei es mit Kopftuch schwieriger, einen Job zu finden; wenn ihr Sohn älter ist, will sie wieder als Sozialarbeiterin tätig sein – „vielleicht auch in den Niederlanden“.

Mit Kopftuch begegnen ihr Menschen auf der Straße anders: „Manchmal rufen Leute mir zu: Geh zurück in Dein eigenes Land. Natürlich bin ich Ausländerin, aber ich glaube nicht, dass sie meinen, ich soll zurück nach Holland gehen.“ Dann wird sie nachdenklich: „Religion hat nichts mit Kultur zu tun. Es gibt doch auch Deutsche, die zum Islam konvertieren. Das ist doch ihr Land. Wo sollen die denn hin?“

Leserkommentare

Frank S. sagt:
Was meint sie denn mit "Gutes tun"? Die Umsetzung des allen Muslimen im Koran aufgetragenen Behandlung von "Ungläubigen"? Als Christ, der Geld für die Opfer muslimischer Diskriminierung und Mißhandlung einsetzt, kann ich Ihnen sagen, daß man bei Interessen mit einem unvorstellbaren derartigen Ausmaß beschäftigt ist, das einem förmlich die Sprach verschlägt. Mich wundert, daß man sich von muslimischer Seite dafür auch kaum interessiert, weshalb dieser Kommentar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch gelöscht werden wird. Es wäre löblich, wenn man sich damit mal beschäftigen würde:http://www.csi-int.org/ch-de/startseite/ Nach den Gründen für die in der muslimischen Welt sehr verbreitete Unterdrückung von Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit kommt man bei einer genauen Recherche leider immer wieder zu den dies rechtfertigenden Quellen im Koran zurück. Eine relativ nüchterne und streng an den religiösen Quellen wie Islamgelehrten und den Aussagen der führenden Rechtsschulen des Islams orientierte Quellenbasis findet man übrigens hier: http://derprophet.info/inhalt/ Es ist traurig, daß man sich von Seiten der islamischen Autoritäten auch nicht mit den Kampfbefehlen des Korans an Muslime gegenüber den "Ungläubigen" befassen möchte: http://www.efg-hohenstaufenstr.de/downloads/texte/kampfbefehle_allahs_im_koran.pdf Aber das Kritik und Selbstkritik im Islam ja selbst eine Sünde ist, wie es der Koran lehrt, ist wohl jede Hoffnung dazu ohnehin vergebens.
07.06.15
2:14
enail sagt:
"Frank.S": Ihrem Kommentar kann ich nur zustimmen. Wie frei ist denn eine Religion die Ihren Anhängern das Konvertieren verbietet. Wie frei ist eine Religion, die sich in alle Lebensbereiche einmischt. Sei es Essen, Kleidung und vieles mehr. Wie frei ist der Mensch wirklich in dieser Ideologie die sich Religion nennt, die nur darauf aus ist vorzuschreiben, zu unterdrücken und Angst zu machen. Hier wird nicht von Güte und vergeben gesprochen. Der christliche Glaube ist so frei, dass man ihn ohne Angst vor Repressalien ablegen kann. Umgekehrt geht das wohl nicht in der so liberalen und toleranten Religion. In einer christlichen Familie wird ein Kind getauft und dadurch wird es Christ. Kann sich später aber auch anders entscheiden, so wie Sie. Oder man hat auch die Freiheit, dass man das Kind nicht taufen lässt, und es später selbst entscheidet an wen oder was es glauben möchte oder auch an gar nichts. Das ist wirkliche Freiheit. Diese Freiheit hat ein Mensch der in einer muslimischen Familie hinein geboren wird nicht. Er ist automatisch Muslim und hat später nicht die Freiheit sich anders zu entscheiden. In Berlin sind auch einige Muslime zum christlichen Glauben konvertiert und finden ihn viel freier, genau das Gegenteil von dem was Sie sagen. Ich verstehe auch nicht was ein Kopftuch mit Freiheit zu tun hat. Alle Religionen wurden von Männern erfunden mit dem Ziel Frauen zu unterdrücken. Freiheit ist wenn ich leben kann wie ich es will, ohne dass mir irgendeine Pseudo-Religion Vorschriften macht.
14.09.15
3:00
Sandra sagt:
Wenn ein Mensch seine Religion ausleben möchte und Erfüllung in der Befolgung findet, sollte man das respektieren. Leider wird muslimischen Frauen immer wieder das Denken abgesprochen, weil man nicht nachvollziehen kann, dass sich ein Mensch voll bekleidet wohlfühlen kann. Selbst wenn man das nicht nachvollziehen kann, sollte man das respektieren. Ich sehe den einzigen Zwang, dem Muslime in europäischen Ländern ausgesetzt sind, bei Nicht-Muslimen. Man ist erst frei, wenn man alles andere als Muslim ist. Dabei merke ich jedes Mal, dass vor allem die Menschen, die solche Behauptungen anführen, sich nicht auf die Inhalte der Religion einlassen - trotzdem "scheinbare" Islamexperten sind. Ich bin für eine aufrichtige Auseinandersetzung mit dieser Religion - wenn man sich dafür interessiert. Aber bitte nicht nur, um die Anhänger zu kritisieren und ihnen den Verstand abzusprechen oder um banal zu pauschalisieren.
01.11.15
22:08