Muslimin bei Caritas

Flüchtlingsberatung: Abwarten, Tee trinken, Mouna fragen

Als Muslimin bei der Caritas? Geht das überhaupt? Das fragten sich auch die Verantwortlichen, bevor die Syrerin und Muslimin Mouna Sabbagh eingestellt wurde. Jetzt unterstützt sie Flüchtlinge beim Fußfassen in Deutschland. Ein Bericht von Barbara Mayrhofer (KNA).

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Es riecht, wie es auf dem Land oft riecht. Nach Stall und Gülle. Nicht weit vom Rathaus das Gasthaus, die Straße runter steht die Schule. In der Bäckerei gibt es „Spitzbuam“ und eine Wursttheke. An der Tür des Gasthofs ein weißer Zettel, der darauf hinweist, dass hier seit Juli Asylbewerber untergebracht sind. Und Mouna Sabbaghs Büro. Die Sozialpädagogin hat sich in einem abgetrennten Teil des ehemaligen Frühstücksraums eingerichtet, einen Laptop auf dem Tisch, ein paar Ordner und ein kleiner Wasserkocher. Viel mehr braucht es nicht für ihre Arbeit.

Es klopft, Khaled Pirzad kommt herein. Bei Tee und getrockneten Datteln erzählt der Afghane von seinem Leben in Salzweg, diesem kleinen Ort vor den Toren Passaus, und von seiner Flucht. „Das Warten ist das schlimmste“, sagt der 42-Jährige und guckt in seine Tasse. Der Buchhalter spricht sieben Sprachen. Das erste Mal floh er 2003 und lebte anschließend sechs Jahre in Norwegen, arbeitete in verschiedenen Jobs, als Nachtwächter oder Reinigungskraft.

Hilfe für Flüchtlinge

2009 muss Pirzad zurück. Zunächst scheint es gut zu gehen, er findet eine Stelle als Dolmetscher bei der Nato in Kabul und Dubai. „Dann haben die Drohungen durch die Taliban angefangen“, sagt Pirzad. Er fürchtet um sein Leben und wendet sich ans afghanische Innenministerium, die französische Botschaft, bittet um Hilfe. Er soll warten, heißt es. Doch wer um sein Leben fürchtet, hat keine Zeit zu warten. Und so flieht Khaled Pirzad ein zweites Mal, er landet im November 2013 am Münchner Flughafen. Und seitdem wartet der Mann wieder. Auf eine Unterkunft. Auf eine Arbeitserlaubnis. Auf einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz.

Mouna Sabbagh hilft Pirzad. Sie telefoniert, schreibt Briefe und geht mit ihm zu Vorstellungsgesprächen. Macht Mut, wenn wieder nichts aus einer Stelle wird. Diesmal lag es am Busfahrplan. Spät Abends und am Wochenende kommt man von Salzweg nämlich nicht mehr nach Passau – tagsüber auch nur im Stundentakt. Mouna Sabbagh erlebt solche Rückschläge täglich. „Ich komme unentwegt an meine Grenzen, wo ich dann sagen muss, es tut mir leid, ich kann nichts machen“, erzählt sie. Die Motivation und Bereitschaft der Menschen so dämpfen zu müssen, ist nicht leicht.

Beraterin mit persönlichen Erfahrungen

„Ich versuche das leidenschaftslos zu sehen“, sagt die Sozialpädagogin. So sei das Gesetz nun mal. Aber man dürfe nicht aufgeben und nicht den Mut verlieren, irgendwann „findet man dann eine Lücke“. Die Asylbewerber vertrauen ihr, „sie haben das Gefühl, wir sind auf der gleichen Ebene“. Denn Mouna Sabbagh ist selbst Syrerin und 1963 als Kind mit ihren Eltern nach München gekommen. Sie sei zwar „ganz klar Beraterin“, die persönlichen Erfahrungen fließen aber mit ein.

Für die Caritas war die Einstellung der Sozialpädagogin ein Novum. „Die Religionszugehörigkeit, weil ich Muslimin bin, das musste erstmal geprüft werden, ob das geht“, erzählt Sabbagh. „Die Einstellung zum Menschen, zu helfen und mich mit meinen Fähigkeiten für sie einzusetzen, das ist unabhängig davon, ob ich Muslimin oder Christin bin.“ Die Philosophie der Caritas komme ihr da nur entgegen. Schließlich gehe es um den Dienst am Menschen. „Das passt vollkommen zusammen.“

Helferkreis unterstützt die Arbeit

Sabbagh ist mit einer halben Stelle für die 90 Männer, Frauen und Kinder zuständig, die hier wohnen. „Das ist viel zu wenig, um den Menschen gerecht zu werden“, sagt sie. Es funktioniere nur so gut, weil einige aktive Leute einen Helferkreis geformt haben. Erst am Sonntag, erzählt Sabbagh, gab es ein Treffen in der Pfarrgemeinde, da kamen auch der Trachtenverein, der Strickverein und die Pfadfinder. „Wir haben gemeinsam Musik gemacht und getanzt, es gab Kuchen und Kaffee.“ Die Ehrenamtlichen bieten Kinderbetreuung an, begleiten bei Behördengängen und organisieren Sprachunterricht.

Im Salzweg hat sich eine Willkommenskultur etabliert, davon ist Mouna Sabbagh überzeugt. Und so sind unter den strahlenden Kindern beim Laternenumzug am Martinstag durch die Straßen auch einige Bewohner des Asylbewerberheims dabei – kleine wie große. (KNA)