Ramadan 2014

Fußball-WM 2014: Ramadan ist auch auf dem Rasen

Der bald beginnende Fastenmonat Ramadan betrifft auch Teilnehmer der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Die extremen Bedingungen stellen muslimische Spieler vor eine Herausforderung. Ein Bericht von Burkhard Jürgens.

26
06
2014

Wenn am Wochenende die schmale Neumondsichel über dem Abendhorizont erscheint, beginnt für Millionen Muslime eine heilige und harte Zeit: der Fastenmonat Ramadan. Just dann geht die WM in Brasilien ins Achtelfinale, den heißen Kampf um den Pokal. Und der „Fußballgott“ kennt keinen Koran.

Die islamische Glaubenslehre erwartet, dass ein Muslim während des Ramadan von Morgendämmerung bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex verzichtet. Während die Enthaltsamkeit von letzteren beiden Tätigkeiten auch bei nichtmuslimischen Athleten meist die Regel ist, sorgt das Nüchternheitsgebot für ein echtes Handicap.

Özil und Khedira auch betroffen

Von Samstag an sind die Spiele jeweils auf 13.00 und 17.00 Uhr terminiert. Dann sagt der Wetterdienst in Fortaleza, Austragungsort für zwei Partien, Temperaturen um die 30 Grad, strahlenden Himmel und eine Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent voraus. Weil die Sonne in Nordbrasilien gegen 5.40 Uhr aufgeht, müsste ein muslimischer Spieler seine letzte Stärkung bis zu zwölf Stunden vor dem Match zu sich nehmen.

Betroffen sind, vorbehaltlich eines baldigen Ausscheidens der DFB-Mannschaft, auch Mesut Özil und Sami Khedira in der deutschen Auswahl. Sie können sich freilich vom Ramadangebot dispensieren. Dafür hätten sie auch die Rückendeckung vom Vorsitzenden der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) in Deutschland, Izzet Er: Nach dem Religionsrecht, so erklärt der Professor für islamische Theologie, sind die muslimischen Nationalspieler derzeit auf Reisen; damit dürfen sie „nach eigenem Ermessen entscheiden, ob sie das Fasten auf sich nehmen möchten“.

Ramadan ist auch auf dem Rasen

Manchen gläubigen Fußballern sagt das eigene Ermessen: Ramadan ist auch auf dem Rasen. Kolo Touré, Mitglied des Teams Elfenbeinküste, bekannte sich so als observanter Muslim. „Es ist definitiv hart, aber wenn du an Gott glaubst, ist nichts unmöglich“, sagte er einmal in einem Interview. Sein Bruder Yaya fand Lob bei Glaubensbrüdern, als er, zum besten Spieler von Manchester City gekürt, eine Champagnerflasche höflich zurückwies. Den Beweis ihrer Frömmigkeit brauchen die Gebrüder Touré in Brasilien nicht mehr anzutreten; ihre Mannschaft ist bereits ausgeschieden.

Religiöser Eifer in Ehren – aber Trainer und Mannschaftsärzte dürften ihn mit zwiespältigen Gefühlen sehen. Vor allem die fehlende Flüssigkeitszufuhr belastet den Organismus erheblich. Medizinische Studien beobachteten bei fastenden Probanden Herzrasen, Migräne, Benommenheit, Erbrechen und Kreislaufkollapse. In den Stammlanden des Islam auf der Arabischen Halbinsel müssen Beschäftigte, die schwere körperliche Tätigkeiten ausüben, während des Ramadan teils Zwangspausen einlegen. Viele Baufirmen in Saudi-Arabien kündigten gleich Betriebsferien an – zu groß wäre sonst die Gefahr von Gesundheitsschäden.

Privatangelegenheit der Spieler

Gefürchtet sind auch die sprichwörtlichen Ramadan-Unfälle wegen Übermüdung, Konzentrationsschwäche und fastenbedingter Aggression. In Saudi-Arabien versucht die Polizei mit einer Verdopplung ihrer Streifen Unglücke zu verhindern, in den Emiraten verteilten Beamte vergangenes Jahr bei Sonnenuntergang an Kreuzungen Snacks, um ausgezehrte Fahrer wieder zu Kräften und Sinnen zu bringen. Gegenüber einer übersehenen Vorfahrt verursacht ein verpasster Pass auf dem Spielfeld in der Regel keine Personenschäden – ärgerlich ist er trotzdem.

Ob der Ramadan sich bei dieser WM als Wettbewerbsnachteil erweist, werden die kommenden Tage zeigen. Einige Teams mit einem relativ hohen muslimischen Anteil, etwa Iran, Ghana oder Bosnien-Herzegowina, haben den Einzug ins Achtelfinale verpasst, aber zumindest Algerien und Nigeria sind noch im Rennen.

Bleibt die Frage: Was macht Özil? Zum Geburtstag des Propheten Muhammad Mitte Januar postete er Glück- und Segenswünsche auf seiner Facebook-Seite. Jetzt, vor dem letzten Gruppenspiel gegen die USA in Recife mit bis zu 28 Grad und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit sagte er mit Blick auf das beginnende Ramadan-Fasten schlicht: „Ich kann leider da nicht mitmachen, weil ich halt arbeite, und deswegen kommt das auch nicht infrage.“ (KNA)

Leserkommentare

Schwester s sagt:
Mal eine ganz blöde Frage, gelten die Athleten nicht als Reisende? Ich weiss, dass sie sich dort mehrere Wochen lang aufhalten, das würde also dagegen sprechen, aber auf der anderen Seite reisen sie ja innerhalb des Landes ja auch über größere Distanzen, was ihnen wiederum den Status des Reisenden verleiht, oder?
26.06.14
16:39
Bruder K sagt:
Hallo, das ist sicher keine blöde Frage :) Soweit ich weiß, gilt man als Reisender (arab. Seferi) bei Entfernungen ab 90 km und einer Aufenthaltsdauer bis 14 Tage. In dem Fall "müssten" die Spieler also fasten da sie länger als 14 Tage in Brasilien sind. Das "müssen" bezieht sich eben auf die ganz klaren Regeln im Fasten gemäß islamischer allgemeingültiger Rechtssprechung. Letztlich ist aber auch eine individuelle Frage, die jeder für sich selbst beantworten und leben muss. Dass das Fasten zu den o.g. Symptomen führen würde, ist mir nicht bekannt. Auch kenne ich viele, und bin selbst ein Fastender, die auch unter den aktuellen extremen Bedingungen arbeiten oder Sport treiben und trotzdem fasten. Es ist so, dass die ersten Tage schwierig sind da sich der Körper komplett umstellen muss. Es mag sein, dass diese Symptome die ersten Tage auftreten, zB. Benommenheit oder Müdigkeit aufgrund des niedringen Blutzuckerspiegels. Aber nach einigen Tagen ist man zumindest körperlich daran gewöhnt und die größte Schwierigkeit ist dann der immer vorhandene Schweinehund :) Ja, es macht sogar richtig Spass den Verzicht zu leben!
27.06.14
13:03
Abu Zambak sagt:
Die Spieler reisen während der WM zwischen den Spielorten, die weit mehr als 90 km auseinanderliegen, d.h. dass sie immer wieder "seferi" sind und damit liegt es in ihrem Ermessen zu fasten. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne die 2010 erstellte Fatwa zitieren, die Profi-Fußballern einen Fasten-Dispens ausspricht. Ich enthalte mich eines Urteils! Allahu alim!
27.06.14
20:38
Abu Zambak sagt:
Hier noch der Link zur Fatwa: http://zentralrat.de/16130.php
27.06.14
20:39
Möge allah sich euch erbahmen sagt:
Salamu aleikum, die brüder sind auf reisen in shaa allah. Es gibt keine bestimmte anzahlt an KM die eine reise bestimmen, einige gelehrten haben diese auf 70/80 Kilometer festgelegt, andere wiederrum auf die Absicht des jenigen. Deswegen müssen die Brüder dort nicht fasten, ihnen ist es aber gestattet, einige Sahaba fasteten auch während der Reise und einige nicht, Möge allah uns rechtleiten. *editiert: Link entfernt*
28.06.14
0:17
Schwester S sagt:
Wenn es also so wäre, dass die Spieler Reisende sind, dann ist die Lösung des "Problems" denkbar einfach: sie hätten *wie jeder andere Reisende auch* die Wahl zwischen Fasten oder das Fasten auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Dafür braucht man doch keine extra Fatwa und lange Diskussionen...Subhanallah, ich habe das Gefühl hier wird aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Und dann hat man Artikel, Fragen bei Pressekonferenzen usw. zu einem "Problem", was gar keins ist. Der Islam ist so einfach, es sind nur die Menschen, die ihn schwer machen. @Bruder K, ich verstehe, dass man als Hobbysportler durchaus Fasten + Sport treiben vereinbaren kann. Ich habe letztes Jahr auch mein Lauftraining während der Ramadan weitgehend aufrechterhalten können. Auf der anderen Seite, glaube ich schon, dass die Fussballspieler in Brasilien da in einer anderen Liga spielen ;-) Wir sprechen hier vom feucht-warmen Klima und von Profisport über möglicherweise mehr als 1,5 Stunden....Das ist schon was anderes als lockeres Joggen in der norddeutschen Ebene ;-)
01.07.14
12:35
Burak sagt:
Soweit ich informiert bin hat auch die algerische Nationalmannschaft sich erkundigt, ob sie als Reisende gelten, und nach entsprechend positiv ausgefallener Fatwa während der WM nicht gefastet. Solange eine WM/EM also nicht in einem Land stattfindet, wo die Austragungsorte weniger als 90km weit auseinander liegen, gibt es dieses Problem nicht :)
08.07.14
15:19