Von Feinden zu Bürgern

Türkentaufen im 17. und 18. Jahrhundert in Brandenburg-Preußen

Die sogenannten Türkentaufen waren im Zeitalter des Barock, also im 17. und 18. Jahrhundert gesellschaftliche Großereignisse. Die Sieger brachten ihre „Kriegsbeute“ mit. Durch ihre Taufe wollte man nochmals den „Sieg über die Ungläubigen“ in aller Öffentlichkeit demonstrieren. Das Paradox ist, das dabei die Religion eigentlich kaum eine Rolle spielte.

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2014

Bisher galten Türkentaufen besonders in Kreisen von Genealogen, Volks- und Heimatkundlern als sammelbare Kuriositäten. Nur wenige Historiker haben sich mit diesem Thema beschäftigt. Ein Grund dafür liegt in der Schwierigkeit sie zu finden. Denn wir finden sie meist nur kurz in Kirchenbüchern und noch seltener in den darüber hinausgehenden Quellenbeständen. Schwierig ist die Weiterverfolgung der betreffenden Personen, die, nun einen christlichen Namen tragend, in den Quellen nur noch schwer auszumachen sind. Aus Hassan wurde Christian, aus Suleika Susanne, aus Aly wurde Friedrich.

Meist kamen sie als Kriegsgefangene oder „menschliche Beute“ aus den Kriegen gegen das Osmanische Reich. Ihrer Heimat und gewohnten Umgebung entrissen, mussten sie sich schnell dem ungewohnten Umfeld anpassen. Ihre neuen Lebensumstände in der Kriegsgefangenschaft unterschieden sich nicht viel von denen ihrer christlichen Leidensgenossen im Osmanischen Reich. Nach islamischem Recht wandelten sich christliche Kriegsgefangene im Moment ihrer Gefangenschaft zu Sklaven. Dies galt ebenso im römischen Recht, allerdings hieß hier der juristische Terminus für den Gefangenenstatus „Leibeigener“.

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Eine wirkliche Hilfestellung im eigentlichen Integrationsprozess waren Pfarrer und Hauslehrer, die ihnen Deutsch und gewisse Umgangsformen beibrachten. Doch sie bereiteten die meist noch jungen Kinder, Jugendlichen, Frauen und Männer auch auf die Taufe vor. Dies sollte aber nicht als Zwangsmissionierung per se verstanden werden! Es zeigt sich, dass es die Sprache war, welche den Schlüssel in die Gesellschaft darstellte. Denn in einer Welt, die noch keine nationalen Grenzen kannte, in der unterschiedliche Konfessionen und auch Religionen und kulturelle Herkünfte nebeneinander existierten, war die Sprache das verbindende Element. Das Schicksal dieser Menschen wurde also bestimmt durch die Notwendigkeit, sich einer neuen Umgebung, Sprache und Kultur anpassen zu müssen. Der Integrations- und auch Assimilierungsprozess im Ganzen lässt sich stark vereinfacht in mehrere Phasen unterscheiden:

  1. Ausgliederung aus der Ursprungsgesellschaft durch Gefangennahme
  2. (Zwangs-)Migration durch Verschleppung, Verkauf, Verschenkung
  3. Erwerb von Wissen/Sprache als Grundvoraussetzung für Kommunikation in der neuen Umgebungskultur,
  4. die Taufe als „Reinwaschung der Seele vom Heidentum“ und Aufnahme in die Gemeinschaft,
  5. das Erlernen und Ausüben eines Berufes und als höchste Stufe der Integration die Eheschließung mit nicht ehemaligen Kriegsgefangenen.

Bisher konnten für Brandenburg-Preußen 68 namentliche Taufen ermittelt werden. Diese Zahl erscheint im ersten Augenblick gering. Werden allerdings Vergleichszahlen aus anderen Gebieten herangezogen, die wesentlich häufiger in die Türkenkriege durch Soldatengestellungen involviert waren, so ist diese Zahl als „Ausschnitt“ einer vermutlich um einiges höher liegenden Gesamtzahl recht beachtlich. Besonders viele Türkentaufen datieren im Zeitraum des Entsatzes von Wien 1683, der Befreiung von Budapest 1686 sowie der folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen bis hin zum Frieden von Karlowitz 1699.

„Türcken, Mohren und Tartaren. Muslime in Brandenburg-Preußen“
Sonderausstellung im Brandenburg Preußen Museum Wustrau
Vom 23. März bis 5. Oktober 2014
Dienstag bis Sonntag  geöffnet von 10 bis 18Uhr

Eichenallee 7a
16818 Wustrau

Telefon 03 39 25 – 7 07 98
Telefax 03 39 25 – 7 07 99
E-Mail wustrau(at)brandenburg-preussen-museum.de
Homepage http://www.brandenburg-preussen-museum.de/muslime-in-brandenburg-preussen.html

 

Während die Türkentaufen zur Mitte des 18. Jahrhunderts zahlenmäßig zurückgingen, verstärkte sich in Brandenburg-Preußen die Übernahme türkisierender Elemente in das militärische Zeremoniell. Bewusst wurden Exotismen als Element der Selbstinszenierung genutzt, so in Gestalt von Kammermohren und Kammertürken hochrangiger Offiziere. Auf der anderen Seite galt das orientalisch Fremde nicht mehr als Bedrohung apokalyptischen Ausmaßes. In Potsdam stellte Friedrich Wilhelm I. ein Janitscharenbataillon auf, das er, nach dem Vorbild des im Zeithainer Lagers 1730 von August dem Starken aufgestellten, zu repräsentativen Anlässen aufmarschieren ließ. Muslimische Soldaten dienten in Potsdam, ohne zum Christentum übergetreten zu sein, in der „Riesengarde“.

Dass dieser Umstand nicht allen gefiel, belegt der Missionseifer Johann Heinrich Callenbergs und seines, 1728 gegründeten Institutum Judaicum et Muhammedicum in Halle. Im Jahre 1739 ließ er eigens für die muslimischen Soldaten in Potsdam Bücher christlichen Inhalts ins Türkische und Arabische übersetzen um die Konversion zum Christentum voranzutreiben. Mit Friedrich II. setzte sogar die Aufstellung muslimisch-christlicher Reiterabteilungen ab 1741 ein. Eine Steigerung erfuhr diese Entwicklung mit der Aufstellung eines preußischen Tatarenkorps im Jahre 1795 in Neuostpreußen, das rein muslimisch zusammengesetzt war.

Es ist diese Geschichte von Muslimen in Brandenburg-Preußen und dem Umgang mit diesen, die uns heute interessieren sollte. Anfangs mussten sie sich durch Taufe in die Gesellschaft integrieren, wobei diese dem heutigen „Einbürgerungstest“ sehr nahe kommt. Andererseits änderte sich im Zuge der Aufklärung auch das Verhältnis von Christentum und Islam zueinander. Die Religionen wurden nun nicht mehr allein als teilend, sondern auch als verbindend betrachtet. Ein Gott, aber verschiedene Arten des Zugangs zu ihm.

Neugier, Angst, Unkenntnis, Fremdheit, Begeisterung, Toleranz … die Facetten der Geschichte von Muslimen in Brandenburg-Preußen sind vielfältig und bis heute zu großen Teilen unbekannt. Auch wenn die ersten Muslime, welche nach Brandenburg-Preußen kamen und hier ihre neue Lebenswelt fanden, Kriegsgefangene waren und häufig getauft wurden, so entwickelte sich eine interessante und größtenteils noch unbekannte Kontaktgeschichte zwischen Menschen. Aus Feinden und Fremden wurden preußische Staatsbürger. Das Brandenburg-Preußen Museum in Wustrau wird daher vom 23. März bis zum 5. Oktober 2014 die Sonderausstellung „Türcken, Mohren und Tartaren. Muslime in Brandenburg-Preußen“ präsentieren, zusammen mit einer einzigartigen Sammlung von in Deutschland gedruckten Koranen aus dem 16. bis 20. Jahrhundert, darunter der erste 1701 in Berlin gedruckte Koran.

Leserkommentare

Abdulkerim sagt:
Wie soll man eine Taufe ( Vorbereitung zur Taufe ) von Muslimen nicht als Zwangsmissionierung sehen?
02.01.14
18:26
Stephan Theilig sagt:
Geehrter Leser. Danke für Ihren Kommentar, der natürlich in Teilen zutrifft. Sobald ein Zwang ausgeübt wird, kann natürlich nicht mehr von Freiwilligkeit ausgegangen werden. Diese ist aber in jeder Religion Bedingung! Was die damaligen Taufen betrifft, so müssen diese tatsächlich nicht so sehr in einem religiösen, als mehr in einem repräsentativen Kontext gesehen werden. Stellen Sie sich diese Szene vor: Da kommt jemand aus einem Krieg zurück, den viele seiner Nachbarn nur von meist übertriebenen Erzählungen kennen, die bestimmt waren durch eine Art Feindbild-Propaganda. Da die Kriege gegen die Osmanen noch sehr lange im, zumindest kolportierten, religiösen Kontext standen, war eine Taufe eines vermeintlich muslimischen Menschen ein nochmaliger "Sieg" gegenüber dem "Erbfeind" allerdings in der heimischen Gemeinde! Diese Bedeutung verblasst allerdings in dem Moment zu reiner Staffage und ritualisierter Repräsentation, wenn die, durch die Aufklärung immer stärker voranschreitende, Säkularisierung das "Feindbild Islam" widerlegt oder zumindest relativiert. Eine reine „Zwangsmissionierung“ müsste zudem von einem gewissen Grad von Nachhaltigkeit ausgehen. Diese wurde aber, nach jetzigem Kenntnisstand, nach der Taufe nicht überprüft oder kontrolliert. Es gab aber auch Beispiele freiwilliger Konversionen. Dabei darf nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um "Verräter am eigenen Glauben" handelte, sondern vielmehr Erleichterungen im Alltag erhofft wurden. Wie Sie sehen ist es ein weitaus komplexeres Thema, als die wenigen Zeilen des Artikels es erlauben. Besuchen Sie doch die Ausstellung, sie sind herzlich willkommen! Ich freue mich auf Sie und gerne auch eine intensivere Diskussion, als es an dieser Stelle möglich ist.
03.01.14
9:29
Abdulkerim sagt:
An die Tatsache, dass es auch freiwillige Konvertierungen gab, hatte ich bisher nicht gedacht. Mit dem "alten" Christentum verbindet man immer wieder die Zwangskonvertierungen in den Kreuzzügen. Aber wie Sie schon geschrieben haben, können Sie heute nicht genau sagen, wie die Vorbereitungen zur Taufe verlaufen sind. Den Titel "Türkentaufen im 17. und 18. Jahrhundert.." finde ich als Türke und Moslem sehr schlimm.
03.01.14
11:46
Abdullah sagt:
Als die Deutschen noch mehr der christlichen Religion anhafteten, war demnach die Taufe der „Einbürgerungstest“, während heute viele von den Muslimen fordern, dem Koran „abzuschwören“ und ein „Bekenntnis zum Grundgesetz“ abzulegen. Nach Meinung führender Juristen ist eine solche Forderung jedoch unzulässig, und der Koran kann nicht dem mehr einer Hausordnung ähnlichen weltlichen, irrtümlich zum Dogma erhobenen Grundgesetz für die BRD auf derselben Ebene gegenübergestellt werden. Umfrageergebnisse und Statistiken zeigen, daß neu eingebürgerte Muslime überwiegend mehr Grundgesetztreue und demokratische Gesinnung besitzen als zahlreiche Bundesbürger deutscher Herkunft. An letztere wird jedoch nicht die genannte Forderung gestellt, obwohl ihre Verachtung für das Grundgesetz und ihre undemokratische Gesinnung nicht verborgen bleiben. Es wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Lese ich die Toleranzmarginalie des Preußenkönigs Friedrich des Großen: „Alle Religionen sind gleich und gut ... und würden die Türken zu mir kommen, so würde ich ihnen Moscheen bauen“ und vergleiche sie mit der Art und Weise, wie mit den Muslimen heute in der angeblich freiheitlich-demokratischen BRD umgegangen wird, möchten mir die Tränen kommen.
04.01.14
3:49
Otto Kern sagt:
Dem Satz "Es soll in Glaubensfragen keinen Zwang geben" kann wohl die überwiegende Mehrheit der Staatsbürger der BRD .zustimmen. Ich kenne auch niemanden, der der Auffassung ist, dass die Kreuzzüge unter heutigen Gesichtspunkte keine Verbrechen waren. Sowohl von moslemischer wie von christlicher Seite wurden Gefangene zwangskonvertiert und als Sklaven verkauft. Als Agnostiker subsumiere ich für mich persönlich die Hadithen unter 1001 Nacht und Teile der Bibel als Märchen à la Gebrüder Grimm. Ich kann aber sehr wohl mit einigen der 10 Geboten, insbesondere dem 5., der Bergpredigt und entsprechenden Suren im Koran etwas anfangen. Ich habe die Bibel und Koran in meiner Bibliothek und benutze beide als Nachschlagewerke. Es ist sinnvoll, dass der Mensch am 7. Tag ruhen soll. In einem modernen Staat wurde aus dem Almosen sogar ein Rechtsanspruch des sozial Schwachen gegenüber dem Staat und blieb nicht nur ein Gnadenakt. Wenn aber der Mann Gottes Abglanz ist, "das Weib aber des Mannes Abglanz", wie es bei Paulus heißt, dann habe ich ein Problem. Nonnen tragen eine Kopfbedeckung, Muslima können auch eine tragen. Darauf sollte man sich einigen können. Was ist aber mit Niqab und Burka? Das Problem ist doch, dass die wahabitische Interpretation des Islams, finanziert von Saudiarabien und den Golfstaaten, immer weiter um sich greift. Kurz vor dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der USA in den Irak konnte ich eine Diskussion auf BBC verfolgen, an der auch der saudische Botschafter in Großbritannien teilnahm. Er sagte wörtlich, dass der Islam mit Demokratie nicht vereinbar sei. Kernbestandteil der Demokratie in der BRD ist das Grundgesetz. Jede religiöse Vorschrift, egal ob in der Bibel, Koran oder einer sonstigen Heiligen Schrift findet an unserem Grundgesetz seine Grenzen. Wenn ich das nicht will, dann ziehe ich als fundamentalistischer Christ in den Bible Belt der USA und als wahabitischer Moslem in die Monarchien der arabischen Halbinsel, oder ich versuche die Mehrheit (2/3 Mehrheit im Bundestag) unserer Bevölkerung auf demokratische Weise zu gewinnen, unser Grundgesetz zu ändern. Dann werden wir ja sehen, ob die Mehrheit unserer Bevölkerung will, dass Dieben die Hand amputiert werden soll oder Ehebrecherinnen gesteinigt werden sollen (auch eine Vorschrift des Alten Testaments). Otto Kern 37412 Herzberg-die Esperantostadt
09.01.14
11:36
Kai sagt:
Man muss es ja auch so sehen, die Mission ist ein zentraler biblischer Auftrag an die Christenheit. Wenn also der Staat eine rituelle Taufe von Heiden praktiziert, dann ja auch weil der "Moslem" in der Zeit eine Kuriosität war und es quasi kaum Heiden mehr zum Taufen im 18 Jahrhundert gab. Die Osmanen haben auf dem Balkan Menschen in den Islam gezwungen, durch das Ritual wurden sie wieder an die Religion ihrer Ahnen heran geführt. Man möchte hoffen, dass irgendwer heute sich um das Seelenheil der Taliban und anderer Glaubensfanatiker kümmert und alles unternimmt, um sie an den christlichen Gott heran zu führen und dem Terror und der Gewalt abzuschwören.
23.08.21
23:38