Islamische Theologie

Graduiertenkolleg diskutierte über religiösen Pluralismus

Interessante Einblicke in die Gedankenwelt führender Reformtheologen und Philosophen bot das Graduiertenkolleg Islamische Theologie in Hamburg. Ein Rückblick auf die Veranstaltung mit dem Schwerpunkt „religiöser Pluralismus und Wahrheitsansprüche“.

17
10
2013

Was ist Wahrheit? Ist Gott definierbar? Was versteht man unter Scharia und was kann man für den religiösen Pluralismus tun? Diese und weitere Fragen wurden von den Teilnehmern der Herbstkonferenz des Graduiertenkollegs Islamische Theologie vom 11.-13. Oktober in Hamburg diskutiert.

Als Gastgeber begrüßten Prof. Dr. Katajun Amirpur (Professur für Islamische Studien/ Islamische Theologie) und Prof. Dr. Wolfram Weiße (Direktor der Akademie der Weltreligionen Universität Hamburg) die Teilnehmer der Herbstkonferenz. Ein Grußwort richtete auch Cornelia Schu (Koordinatorin Themencluster Integration der Stiftung Mercator).

Kritik nicht spurlos vorbeigegangen

In dem Grußwort der Koordinatorin wurde deutlich, dass die Kritik an dem Engagement der Mercator Stiftung im Bereich der Islamischen Theologie wahrgenommen wird. Cornelia Schu erklärte, der Stiftung gehe es darum, dass Muslime gleichberechtigt in der Gesellschaft leben können. Es gehe um Integration, weshalb es unter den gegebenen Umständen sinnvoll sei, dass es Stiftungen gebe, die dabei mit finanziellen Möglichkeiten helfen.

Die Mercator Stiftung engagiert sich unter anderem bei der Jungen Islam Konferenz, dem Avicenna-Studienwerk und beim Graduiertenkolleg Islamische Theologie. Sie tritt zudem als Förderer von mehreren Instituten und Akademien für Islamische Studien bzw. Zentren für Islamische Theologie auf. Das Engagement der Stiftung wird von Kritikern als Einflussnahme und Lenkung der Ausrichtung für einen „deutschen Islam“ wahrgenommen und kritisiert. 

Interessante Ansätze

Experten wie Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel, Professor für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Universität Münster, taten sich in ihren Vorträgen mit interessanten Gedanken hervor. Schmidt-Leukel stellte die Frage, ob religiöser Pluralismus überhaupt gelingen kann, wenn man nicht von vornherein klärt, was für ein Verständnis man vom eigenen Glauben hat. Hier wurde von ihm vor allem zwischen inklusivistischen und exklusivistischen Ansätzen im religiösen Pluralismus unterschieden.

Der Philosoph Prof. Dr. Abdulkarim Souroush machte darauf aufmerksam, dass es aus seiner Sicht nicht mehr einen Dialog zwischen den Gläubigen brauche, sondern vielmehr (Streit-)Gespräche zwischen den Gläubigen. Er hob hervor, dass ein toleranzorientierter Pluralismus sehr günstig zu haben sei, während ein Pluralismus der auf Anerkennung basiert sehr teuer erstritten werden müsse. Souroush sieht hier auch innerislamisch noch viel Arbeit. Es sei quasi unmöglich Schiiten und Sunniten in theologischen Fragen auf einen Nenner zu bringen. Trotzdem wären beide Seiten gerade in Fragen der Mystik oder Spiritualität viel stärker konsensfähig. Dies sollte man für neue Ansätze der Begegnung und des Kennenlernens nutzen, so der Philosoph.

Prof. Mohammad Mojtahed Shabestari war in seinem Ansatz viel offener. Der als Reformdenker bekannte Theologe zog eine Linie zwischen den Religionen und hob hervor, dass Pluralität durchaus gelingen könne, wenn man sich öffnen würde.

Workshops

In drei verschiedenen Workshops diskutierten die Teilnehmer über unterschiedliche Schwerpunkte. So kam man in einem Workshop im Rahmen der Diskussion über das „religiöse Recht“ (Fikh) am Ende zu der Erkenntnis, dass Scharia an sich kein Rechtssystem und auch kein ethisches System darstellt, jedoch Elemente derselben enthält. Ebenso wurde darüber diskutiert, wie der Islam zur Meinungsfreiheit steht und wie weit diese gehen darf.

Ein Streitpunkt bildete hier, ob man Scharia als Moral oder Gesetz verstehen soll, oder Scharia als Ethik. Einig war man sich in der Notwendigkeit für klare Definitionen über die Werte der Scharia. Begriffe wie „Gleichheit“ oder „Gerechtigkeit“ müssten aber besser beschrieben und klargestellt werden. In ähnlicher Art und Weise wurde in den anderen Wokshops zu den Themen Philosophie und Wahrheitsansprüche diskutiert.

Wenig Diskussionen

Obwohl immer wieder kontroverse Ansichten geäußert wurden, kam es kaum zu Diskussionen unter den Teilnehmern. Viele Dinge, die gesagt wurden, deckten sich auch, wie sich später in persönlichen Gesprächen feststellen ließ, nicht mit den Einstellungen der Teilnehmer. Trotzdem wurde auf eine Diskussion verzichtet: Entweder aus Respekt vor der Meinung des Vortragenden oder weil man sich mit seiner entgegenliegenden Meinung nicht ausgrenzen wollte.

Diese Diskussionskultur scheint mittlerweile auch bei den Graduierten angekommen zu sein. Dabei gab es immer wieder Momente, in denen man das Gesagte eines Vortragenden auch in Zweifel ziehen konnte. So z. B. bei der Frage, welche Religion bei Gott die wahre ist. Auch die Versuche eine gewisse Gleichgültigkeit in der Betrachtung von Religionen zu etablieren wurden teilweise stillschweigend begleitet. Gerade hier hätte man doch auf die Frage „Was unterscheidet die Religionen?“ eingehen müssen. Ohne dass diese als Abwertung der einen oder anderen Religion gleichkommen müsste.

Auf diese Diskussionsfelder kam man später zwar zu sprechen, allerdings ging der Impuls eher von den Rednern aus als von den Teilnehmern. Gerade Perry Schmidt-Leukel provozierte mit klaren Statements und herausfordernd seine Mitredner. Er tat der Diskussion auf jeden Fall gut.

Fazit

Am Ende kann man sagen, dass das Graduierten-Kolleg mit seiner diesjährigen Ausrichtung erneut eine interessante Wahl getroffen hat. Es bleibt aber ein Nachgeschmack, weil diesmal die Diskussionen längst nicht so leidenschaftlich geführt wurden, wie bei der letzten Veranstaltung zur Theologie der Barmherzigkeit von Prof. Mouhanad Khorchide (Münster). Es scheint als würden die künftigen Theologen und Theologinnen sich nicht mehr trauen, ihre Meinung öffentlich und stark zu vertreten. Dabei braucht der Islam in Deutschland einen vielschichtigen Diskurs – mit unterschiedlichen Stimmen und Debatten. Dafür sollte das Graduiertenkolleg jedoch auch stärker als solche Plattform genutzt werden.

Als Fazit können die folgenden Worte eines Teilnehmers zitiert werden: „Wir können versuchen die Wahrheit zu finden, es wird uns aber nicht gelingen. Sobald die Veranstaltung hier zu Ende ist, gehen wir alle wieder Heim und jeder wird das mit der Wahrheit für sich privat weiterhin so handhaben wie bisher – aber eben nur privat.“

Leserkommentare

nicole aziza bergmann sagt:
schade! genau auf die Diskussionen wäre es angekommen! Genau auf diese Streitgespräche, wie der Philosoph es so treffend sagt! Denn weiter kommt man nur durch Streitgespräche - jeder soll seine Wahrheiten auf den Tisch bringen, und nicht daheim im Kämmerchen leben!
17.10.13
16:05