Unbemannte Kampfdrohnen

Töten wie im Videospiel

Die Sacharow-Preisträgerin und Frauenrechtsaktivistin Malala Yousoufzai aus Pakistan kritisierte bei einem Besuch im Weißen Haus, die USA für den Einsatz von Kampfdrohnen. Diese würden nicht zum Frieden beitragen und sogar Terrorismus fördern. Ilhan Bilgü erörtert das Thema und blickt auch auf Pakistan. Die Frage: Darf Töten so sehr vereinfacht werden, dass es wie ein Videospiel wirkt?

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2013
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Der Einsatz von unbemannten Kampfdrohnen wird seit langer Zeit weltweit diskutiert. Die Vereinten Nationen haben eine Untersuchung über den Einsatz von Kampfdrohnen und ihr etwaiges Verbot angekündigt. Die Aussagen im Rahmen der früheren Untersuchungen in Pakistan, im Jemen, Palästina und Somalia besagen, dass Drohnenangriffe hauptsächlich die Zivilbevölkerung treffen. Laut unbestätigten Aussagen seitens der örtlichen Informationsdienste ist die Zahl der Opfer sehr hoch.

Unabhängige Quellen besagen, dass insgesamt 3183 Menschen nach Drohnenangriffen starben, darunter höchstens 42 al-Qaida-Mitglieder und 454 Talibanmitglieder. Das heißt, den Rest machen zivile Menschen oder vermutete al-Qaida und Talibanmitglieder sowie Sympathisanten aus.

Laut den Untersuchungen in Pakistan wurden seit den ersten Angriffen 2004 bis Juli 2013 bei Drohnenangriffen hauptsächlich Zivilisten getötet. Es werden keine Aussagen darüber gemacht, ob bei den Angriffen auf al-Qaida-Mitglieder in Afghanistan und Talibanmitglieder in Pakistan, tatsächlich Menschen sterben, die diesen beiden Gruppen angehörten und falls ja, welche Taten sie begangen haben.

Bei bestimmten Angriffen erschienen die Namen bestimmter Personen sogar mehrmals in den Listen der Toten.

Videospiel

Die Angriffe in Pakistan belasten das alltägliche Leben der Bevölkerung und grundlegende Traditionen der Paschtunen. So können sie beispielsweise an wichtigen Tagen wie Hochzeiten und Beerdigungen nicht mehr zusammenkommen. Normalität ist schier unmöglich.  Kinder können weder zur Schule gehen, noch draußen spielen. Die Bevölkerung lebt in ständiger Angst davor, was das nächste Ziel der täglich bei heiterem Wetter über ihnen kreisenden Flugzeuge sein wird.

Die unbemannten Drohnen, die an Videospiele erinnern, hinterlassen bei den Soldaten keine negativen Auswirkungen, wenn sie Menschen töten, und führen gar dazu, dass sie Spaß am Töten entwickeln. Die Unkosten der Drohnen sind sehr gering und tragen keinerlei Risiken für die Soldaten. Aus diesen Gründen werden auch die moralischen Implikationen der Drohneneinsätze hitzig diskutiert.

Türkei

Die Türkei lernte die unbemannten Drohnen im Zuge der Auseinandersetzungen mit Israel über die technische Ausstattung und Lieferung der Flugzeuge kennen. Die tragischste Erfahrung machte die Türkei zweifellos am 28. Dezember 2011, als bei einem Drohneneinsatz 34 Dorfbewohner starben. Das Ereignis, das das ganze Land in Schock versetzte, geschah an der Grenze zu Irak als Bewohner des Dorfes Roboski in Sirnak versuchten wieder in die Türkei zu gelangen. Zwar wurden die unbemannten Drohnen nicht als Kampfflugzeuge eingesetzt, ermittelten jedoch die Informationen, die den tödlichen Einsatz zufolge hatten.

Wenn in der Türkei, wo die Untersuchung des Vorfalles von der Regierung und allen Bevölkerungsschichten unterstützt wird, bisher ungeklärt blieb, ist es unschwer zu erraten, was in den Ländern Pakistan, Jemen, Afghanistan, Palästina, und Somalia geschieht. Die USA, die für die Angriffe in Pakistan verantwortlich gemacht wird, gibt keinerlei Auskunft zu den Drohneneinsätzen und rechtfertigt diese weiterhin.

Pakistan

Pakistan machte erstmals am 18. Juni 2004 Bekanntschaft mit den Drohnen. Für den Angriff, bei dem unter anderem der Talibankommandant Nik Muhammed starb, erklärte sich zunächst die pakistanische Armee verantwortlich. Als später jedoch die USA erklärten, den Eingriff eingeleitet zu haben, zeigten sich Ungereimtheiten in der Drohnenpolitik Pakistans und des Generals Pervez Musharraf. Laut Mark Mazzetti von der New York Times zufolge hat der Informationsminister Pakistans, Ehsan ul Haq, ein Gespräch mit dem CIA Islamabad Chef ein Gespräch geführt und sich mit ihm geeinigt, unter welchen Bedingungen dem CIA Angriffe gewährt werden sollen. Doch der CIA hielt sich bisher nicht an diese Vereinbarung. Interessant ist zudem das Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung.

Die International Crises Group bezeichnet in einem Beitrag über Kampfdrohnen die Haltung Pakistans als „einen schizophrenen Fall“. Diese Beurteilung weist natürlich auf die Politik Pervez Musharraf und Asif Ali Zerdari hin. „Anstatt sich gegen die Drohneneinsätze einzusetzen, will Pakistan die Kontrolle über die Angriffsziele. Pakistan will Feinde bestrafen und die ihnen wohl gesinnten Militanten beschützen …“

Proteste

Zahlreiche zivile Organisationen setzen ihre Proteste gegen die zur gängigen Militärtaktik gewordenen Drohnenangriffe fort. In Amerika setzen sich neben der Organisation Codepink Women for Peace, insbesondere die Jurafakultäten der Stanford und New York Universitäten dagegen ein. Auch die Foundation for Fundamental Rights in Pakistan, die das Urteil durchsetzte, in dem die Einsätze als Kriegsverbrechen verurteilt werden, setzt seine Arbeiten fort. Dank der Klage vor dem höchsten Gericht in Peshawar, erlangte die Thematik einen juristischen Status.

Darüber hinaus informierten die Stanford Law School Stanford International Human Rights and Conflict Resolution Clinic (IHRCRC) und New York University School of Law Global Justice Clinic in ihrem Bericht “Leben unter unbemannten Drohnen: Tod, Verletzung und Trauma der zivilen Bevölkerung infolge des amerikanischen Drohneneinsatzes” die Öffentlichkeit. Die Gründerin der Organisation Codepink Women for Peace Medea Benjamin protestierte in der amerikanischen Hauptstadt Washington, aber auch in den Regionen in Pakistan, in denen die Angriffe durchgeführt werden. In ihrem Buch „Drohnenkrieg – Tod aus heiterem Himmel“ ruft sie die Öffentlichkeit dazu auf, empfindlich für das Leid anderer zu sein.

Medea Benjamin machte außerdem von sich Reden als sie Barack Obama, der nach heftiger Kritik am Einsatz der Kampfdrohnen, in einer Pressekonferenz einen neuen Erlass verkündete, fragte, ob das Leben der Muslime genauso wertvoll sei, wie ihres und ob er sich wegen der Morde an Muslimen entschuldigen werde.

Abschließend ist festzuhalten, dass die aktuelle pakistanische Regierung ebenfalls in einer ausweglosen Lage steckt. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit sah sich Nevaz Sharif den Angriffen ausgesetzt. Vor den Wahlen hatte er das Ende der Drohnenangriffe versprochen. Doch bisher wurden keine neuen Regelungen durchgesetzt.

Ilhan Bilgü